Eine Inszenierung in Wachs

21.9.2012, 00:00 Uhr

Die Herrschaften sind vor langer Zeit ausgezogen. Der Plüsch ist unwiderruflich dahin. Zurückgeblieben ist in der Bel Etage der Villa, die anno 1894 ein Fabrikant mit großer Geste errichten ließ, ein Hauch von jenem Luxus, der uns heute märchenhaft vorkommt. Hinter jedem Detail steckt die große Geste. Statt Treppen — ein theatralischer Aufgang. Kein Flur. Ein Entrée mit acht Türen empfängt die Gäste, die sich längst auf Außergewöhnliches gefasst gemacht haben.

Inge Gutbrod hat jetzt Sabine Pillensteins neue Galerie BÜHLERS (wir berichteten) zu ihrer Bühne gemacht. Ihr ist eine subtile Inszenierung geglückt, die aus dem was

war, eine überraschende Gegenwart macht. Doch nichts wäre leichtfertiger, als vorschnell dem zu trauen, was der erste Blick offenbart.

Spuren der Vergangenheit

Die Räume, in denen die in Nürnberg geborene Künstlerin, die seit langem in Fürth lebt und arbeitet, nun ihre Arbeiten zeigt, tragen noch die Spuren der Vergangenheit. Im Parkett haben sich die Standorte von Öfen und Mobiliar eingegraben. Die Wände ziert eine unnachahmliche Patina, entstanden aus ungezählten Anstrichen. Kein exakter Farbton ließe sich aus diesen Überbleibseln von vergangenem Schick definieren. Alles ist da. Hat sich verändert und ist bereit, neu zu werden. Vielleicht harmonieren deshalb Gutbrods Arbeiten so faszinierend vor dieser Wand-Kulisse.

Die 48-Jährige hat Wachs zu einem Hauptdarsteller in ihrem Werk gemacht. In der Villa hat das Material wieder eine Paraderolle. Von der unvergleichlichen „Transluzenz und Opazität“, die der Werkstoff in ihren Arbeiten zeigt, hat ein Kritiker geschwärmt. Jetzt gibt Gutbrod mit zwei Installationen aus Wachsscheiben, Knetmasse und Seil den Betrachtern die Möglichkeiten, die Zimmerfluchten in neuen Zusammenhängen wahrzunehmen. „Klicker di Klick“ heißen hübsch lautmalerisch die beiden Arbeiten, die wie Vorhänge Räume abteilen, ohne sie abzutrennen. Das Durchgehen und Kontaktaufnehmen mit den schweren Wachsscheiben, die Leichtigkeit vermitteln, ist ausdrücklich erlaubt.

Weit in gleich zwei Räume ragt die titelgebende Installation. „jelängerjelieber“ teilt mit dem Gartengeißblatt Lonicera caprifolium kaum mehr als den Kosenamen. Es sind Eisenstangen, die Inge Gutbrod durch eine Wand getrieben hat. Wiederum handgeformte, in Weißtönen schimmernde Wachsringe und Schaumstoff markieren die Längen auf beiden Seiten. Unter den Stuckdecken der Gründerzeitpracht gewinnt die Arbeit eine erstaunliche Selbstverständlichkeit. Die ausgreifenden Elemente wetteifern nicht mit der überbordenden Dekorlust von einst, sondern stellen sich ihr mit selbstbewusster Reduktion auf das Wesentliche gegenüber.

In jedem Blickpunkt durchdacht und klug geplant ist Gutbrods Auftritt in der Villa. Inklusive gewitzten Illusionen und einem handfesten Humor. Nicht jedes Stück hängt zum Beispiel auf der erwarteten Augenhöhe. „Mit diebischer Freude“ registriert die Künstlerin erstaunte Blicke und freut sich über Besucher mit Entdeckertrieb.

Viel zu entdecken gibt es bei BÜHLERS, Königswarterstraße 22,

bei „jelängerjelieber“ mit neuen Arbeiten von Inge Gutbrod, bis 11. November, Mi. bis Fr. von

11 bis 15 Uhr geöffnet.

 

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