Friedlicher Protest gegen den Terror

12.12.2011, 11:00 Uhr

Eine Gedenkveranstaltung neben dem Weihnachtsmarkt? Stille neben dem Trubel? Wer sich kurz vor 17 Uhr der Adenauer-Anlage näherte, ahnte, dass das erstaunlicherweise funktionieren könnte. Um den Pavillon hatte sich eine Traube von Menschen gebildet, manche leuchteten aus der abendblauen Dunkelheit, weil sie eine Kerze oder ein Windlicht vor dem Körper trugen.

Insgesamt kamen zwar weniger Fürther, als es sich der Oberbürgermeister gewünscht hatte; es dürften bestenfalls 150 gewesen sein. Jedem einzelnen aber schien es wichtig zu sein, ein Zeichen zu setzen und deutlich zu machen, dass in dieser Stadt kein Platz ist für Rechtsextremismus, dass „wir ohne Furcht leben wollen“, wie es OB Thomas Jung später in seiner Rede ausdrückte. Im Rücken der Zuhörer strahlten derweil still die Lichter des Weihnachtsmarktes — wie zur Unterstützung derjenigen, die sich im Herzen der Stadt versammelt hatten.

Ruth Brenner vom Fürther Bündnis gegen Rechtsextremismus und Rassismus ergriff noch vor dem OB das Wort: „Ungestört, aber nicht unbemerkt konnte zehn Jahre eine Nazibande aus Thüringen quer durch die Republik fahren, zehn Menschen umbringen und Banken überfallen“, sagte sie und fragte: „Wie konnte so etwas geschehen? Ist der Staat auf dem rechten Auge blind? Offensichtlich zumindest weite Teile davon.“

Brenner forderte, die Morde, die auf das Konto des Terror-Netzwerks Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) gehen, lückenlos aufzuklären und die Rolle der staatlichen Organe zu untersuchen, ja, gegebenenfalls den Verfassungsschutz aufzulösen. Selbiges hatte sie auch am Mittag schon bei einer Kundgebung verlangt, die die Antifaschistische Linke Fürth (ALF) in der Fußgängerzone veranstaltete. Auch in Fürth gebe es viel zu tun, mahnte Brenner und erinnerte daran, dass kürzlich das Auto eines jungen Mannes angezündet wurde: „Noch immer agieren Neonazis unbehelligt, greifen Antifaschisten, deren Wohnungen und Autos an.“ Der Sachschaden belaufe sich mittlerweile auf 40000 Euro, keiner der Anschläge sei aufgeklärt worden. Besorgniserregend sei auch, dass immer häufiger die Namen regionaler Neo-Nazis im Zusammenhang mit der NSU auftauchten.

Migranten und Antifaschisten, sagte Jung im Anschluss, seien bislang ins Visier der Neo-Nazis geraten, doch müsse jedem bewusst sein, „dass alle, die in deren Augen anders sind, Opfer sein können“: Gewerkschafter ebenso wie Christen oder Behinderte. „Wir sind alle potenziell bedroht.“

Reiner Zufall

Es sei „reiner Zufall“, dass der Terror der NSU „nicht auch Fürther Familien getroffen hat“. Die Kundgebung, mit der sich die Stadt an den Aktionen in der Metropolregion beteiligte, sei ein Signal dafür, dass „Fürth zusammensteht für eine weltoffene Stadtgesellschaft“. Dann forderte Jung dazu auf, „kurz gemeinsam innezuhalten“.

Sehr schön sei die Schweigeminute gewesen, sagte hinterher eine 18-Jährige, die mit ihrem Vater gekommen war. Weil es Neo-Nazis in Fürth gibt, weil „diese Personen tatsächlich unter uns“ sind, hätten sie und ihr Vater nicht lange gezögert, als sie vom Aufruf der Stadt lasen.

„Ich bin vorher eher zurückhaltend gewesen, aber angesichts der Entwicklung muss man auch mal auf die Straße gehen“, sagte ein paar Meter weiter ein Mann, der mit seiner Frau den Worten der beiden Redner gelauscht hatte. Die kurzen, deutlichen Beiträge gefielen dem Ehepaar. „Das hatte Hand und Fuß“, fand auch Gisela Naomi Blume, die ehemalige Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde, die dann noch ehrlich hinzusetzte: „Ich hätte mir nur die doppelte Anzahl von Menschen gewünscht.“

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