Kofferfabrik: Dörings schwieriger Spagat

19.10.2015, 13:00 Uhr

Eine Frau in einem kargen Raum. Mit einer Pistole zielt sie ins Publikum. Sie redet vom Polizeistaat und dass gegen Gewalt nur eines hilft: mehr Gewalt. Wie aus einer friedensbewegten Mutter eine der gefürchtetsten Terroristinnen der siebziger Jahre wurde, zeigt „Ulrike Marie M.“ von Markus Nondorf und Brigitte Döring.

Die Inszenierung in der Kofferfabrik ist betont karg: Sechs Bühnenelemente, eine Handvoll Requisiten und Kostümteile. Dazu nur eine Darstellerin, die oft mit dem Rücken zum Publikum steht oder ganz im Schwarz verschwindet. Und die dennoch mit ihrer emotionalen Wucht überzeugt.

Martha Unterhofer trägt diese zwei Stunden mit einer erstaunlichen Energie. Nicht nur, dass sie in diesem Solo-Stück ein immenses Textpensum zu bewältigen hat, sie muss auch den steten Spagat schaffen zwischen Idealismus und Kampfgeist. Die Geschichte wird nicht chronologisch erzählt, sondern springt von der Isolationshaft in Stammheim immer wieder zurück in den Untergrund oder in die Studentenzeit. Dabei ist die Collage aus O-Tönen, Gedichten und Musik der Zeit bewusst kein Porträt der RAF, sondern ein ganz intimer Einblick in die Person Ulrike Meinhof. Wer war diese rätselhafte Frau?

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Neben den authentischen, noch heute verstörenden Zitaten aus der Haft („Das Rückenmark ins Hirn gepresst“) beeindruckt vor allem der fiktive Dialog, in den Meinhof mit dem offenem Brief ihrer Ziehmutter Renate Riemeck von 1971 tritt – zwei überaus starke Persönlichkeiten, die darum ringen, der Welt einen Sinn zu geben und doch nicht zueinander finden können.

Nur das Komm machte mit

1995 wurde „Ulrike Marie M.“ erstmals aufgeführt – mit Brigitte Döring selbst in der Titelrolle. „Damals gab es erhebliche Schwierigkeiten bei der Umsetzung“, erinnert sie sich. „Bis auf das Komm war keine Bühne bereit, solch ein Stück zu zeigen.“ Ein Stück, das nicht moralisch urteilt. Das hinsieht und zuhört. Erst ein paar Jahre später näherte sich die Bundesrepublik dem Thema wieder an: Über das „Deutsche Krieger“-Hörspiel von Andreas Ammer von 1996 und Fernsehdokus bis hin zum großen „Baader-Meinhof-Komplex“-Spielfilm von 2008.

„Inzwischen hat sich das alles sehr beruhigt“, stellt Döring fest. „Gerade deshalb war es spannend, noch einmal auf den Text zurückzukommen und ihn mit einer jungen Schauspielerin einzuüben.“ Meinhof: Damals wie heute eine Person, die sich sämtlichen Klischees entzieht.