Was die Bürger vermissen

Protest gegen Straßenbau: Anwanden bleibt laut

7.8.2019, 15:58 Uhr

Es fehlt etwas in Anwanden. Und dabei geht es nicht um die beiden Ampelanlagen im Zirndorfer Ortsteil, um korrekte Verkehrsschilder oder finale Markierungen auf Fahrbahn oder Gehwegen. Gemeint ist auch nicht "das Gläschen, das es hätte geben können", wie eine Frau an der neu umgebauten Kreisstraßen-Kreuzung im Dorf anmerkte, "nach all dem Ärger".

Kaum hatten die Vertreter des Landkreises und des Staatlichen Bauamts vor rund 30 Anwohnern auf dem schwarz glänzenden Gehweg Aufstellung genommen, um das Projekt offiziell freizugeben, wurde klar, was fehlt im Dorf: der Konsens. Und zwar der zwischen Bürgern, Planern und Politikern. Unter den Rufen "Protest, Protest", kam eine Gruppe angelaufen, in der Hand selbst gebastelte Schilder. "Eineinhalb Jahre Staub, Dreck und Lärm" stand darauf unter anderem zu lesen und "Wo ist der Kreisverkehr?"

Kein Sekt, sondern Selters

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Nicht Sekt servierten die Demonstranten, sondern Selters. Dabei wäre der äußere Rahmen für eine Feierstunde gegeben gewesen. Die Sonne hatte den Regen verdrängt. Und dort, wo in Anwanden die vom Wolfgangshof kommende FÜ 22 in die FÜ 14 aus Sichersdorf trifft, bewegten sich Sonnenblumen und Gladiolen im Wind. Was folgte, war ein Hin und Her mit vielen, teils durchaus berechtigten Fragen, aber auch Äußerungen, die in Aussage und Ton die Grenzen der Diskussionskultur mitunter klar überschritten. "Gelebte Demokratie" nannte das Sandra Hauber (SPD), Zirndorfs stellvertretende Bürgermeisterin und Kreisrätin.

Doch was macht die Anwandener so sauer? Die neue Kreisstraßeneinmündung im Ort soll dank der T-Form übersichtlicher sein. Dazu legte ihnen der Landkreis eine neue, 850 Meter lange Straße bis durch die Baumallee am Wolfgangshof inklusive dreier Querungsinseln vor die Füße und baute daneben gleich noch einen Weg für Radler und Fußgänger. Sicherer soll die gesamte Route auch über das Fabergut hinaus in den Roßtaler Ortsteil Weitersdorf werden. Und das für viel Steuermittel: Der Kostenpunkt liegt laut offizieller Pressemitteilung bei 1,9 Millionen Euro. "Rausgeschmissenes Geld", befand einer der Protestierer.

Deutlich wurde: Die Bürger beklagen die unzureichende Information vor Beginn der Baustelle, die großen Belastungen durch die im April 2018 aufgenommenen Arbeiten, das Gefühl, mit ihren Belangen nicht gehört zu werden, und eine aus ihrer Sicht mangelnde Planung – Stichwort "Kreisverkehr". Den hätten sich die Anwandener gewünscht, um etwa den aus Richtung der B 14 anrauschenden Verkehr auszubremsen.

Christoph Eichler, Abteilungsleiter im Staatlichen Bauamt Nürnberg, das die Straßenbaumaßnahme verantwortet, legte noch einmal die Gründe dar, warum die Kreisräte diese Lösung gekippt hatten: Noch mehr Flächenverbrauch; nicht zuschussfähig – daher mit 330 000 Euro allein aus der Kreiskasse zu bestreiten – zu teuer. Außerdem bezweifelte Eichler den erwünschten Effekt. Spätestens bei der Ausfahrt aus dem Kreisel würden Autos wieder beschleunigen.

In der politischen Diskussion hatten sich nur die Kreis-Grünen letztlich vergeblich gegen das Vorhaben gestemmt. Sandra Hauber verwies darauf, dass es dabei nicht nur darum gegangen sei, Unfallschwerpunkte zu eliminieren, Radwege besser zu verknüpfen und "Entscheidungen für die gesamte Kreisbürgerschaft zu treffen". Sie gelobte Besserung bei den Informationen: "Wir haben alle daraus gelernt."

Das betrifft neben der Stadt Zirndorf in erster Linie das Staatliche Bauamt. Christoph Eichler kündigte denn auch an, dass seine Behörde im nächsten Jahr zur Bürgerversammlung in Anwanden kommen werde. Dann sollen Varianten des Ausbaus der Ortsdurchfahrt – geplant für 2021 – vorgestellt werden. Schon früher, 2020, will man den Radweg nach Süden gen Sichersdorf fortführen.

Noch nicht klar ist, wann es mit dem zweiten Kreisstraßenabschnitt bis nach Weitersdorf weitergeht. Der jetzige Neubau endet an der Zirndorfer Gemarkungsgrenze hinter dem Gutshof im Feld. Oder "im Nirwana", wie ein Bürger anmerkte.

Im Herbst nimmt das Bauamt die Verhandlungen mit den Grundstückseigentümern wieder auf, denn ohne Flächen keine neue Straße. Diese soll ohne die engen Kurven und die gefährliche Kuppe auskommen. Außerdem wollen die Planer, Stichwort geringere Bodenversiegelung, Alternativen vorlegen, bei der entweder Fuß- und Radweg oder Straße mehr auf der alten Trasse liegen.

Doch auch auf Roßtaler Gebiet gibt es dagegen heftigen Widerstand. Bereits seit längerem läuft das Flurneuordnungsverfahren Roßtal-Weitersdorf, manch einer – eine entsprechende Äußerung gab es an der Anwandener Kreuzung – befürchtet dabei eine Enteignung durch die Hintertür zugunsten des Straßenbaus.

Auch Weitersdorf leidet

Roßtals Bürgermeister Johann Völkl (SPD) wäre freilich froh, würde sein derzeit abgehängter Ortsteil bald wieder komplett ans Kreisstraßennetz angebunden. Auch die Weitersdorfer leiden unter Baustellen, Lärm und Dreck: Erst hat die Bahn die Gleisunterführung erneuert, in zwei Abschnitten – heuer und im nächsten Jahr – wird ebenfalls die Ortsdurchfahrt auf Vordermann gebracht.

Um den lauschigen Wolfgangshof herum bleibt es also unruhig, und zwar in jeder Beziehung. Die Hoffnung von Franz X. Forman (Freie Wähler) – er vertrat den urlaubenden Landrat Matthias Dießl –, dass die Bürger sich "mit der Straße anfreunden können, wenn der Verkehr erst läuft", dürfte deshalb mehr ein frommer Wunsch bleiben – genau wie das Bedürfnis der Anwandener nach mehr Stille im Dorf.