Soundtüftler und Wellenreiter

27.1.2012, 11:30 Uhr

Ein Knopfdruck, ein Mausklick, ein Staunen. Feierlicher Sound geht auf die Startbahn, das Aroma von Gala-Hibbeligkeit steigt auf, Streicher-Heerscharen erklimmen die Wolken und bauen vors geistige Auge eine Showtreppe, an der der Schreiner nicht geknausert hat. Als Thilo Wolf die Regler wieder herunterfährt, möchte man die eigene Stereoanlage, die kleine, aus dem Fenster halten, am besten sofort.

Das da eben war das Opening zur BR-„Sternstunden“-Gala, geschrieben, arrangiert und veredelt von einem, der, man hört das sofort, mit „Musik ist Trumpf“ groß wurde, mit der „Peter Alexander Show“, mit Straßenfegern aus Fernsehzeiten, die man nicht ganz zu unrecht für die besseren hält: Thilo Wolf. „80 Spuren waren da im Einsatz“, schwärmt der 44-Jährige von der „Sternstunden“-Kostprobe, die er am Mischpult-PC servierte. Ende vergangenen Jahres hat er sich einen langgehegten Traum erfüllt. Einen Traum, von dem er sagt, es sei „eigentlich ein totaler Wahnsinn, so etwas zu machen“. Hat er aber. Im neuen Haus in appetitlicher Filet-Lage — der Blick auf Stadtpark und Wiesengrund ist unverbaubar — hat der Fürther Kulturpreisträger ein Studio eingerichtet, „das meinen Vorstellungen aus 20 Jahren Musikerfahrung entspricht“.

Dutzende Musiker können hier gleichzeitig mit Panoramablick auf die schönste Seite Fürths Gas geben; einen separaten Schlagzeugraum gibt es, um das Abmischen des Sounds auf Top-Niveau zu ermöglichen, einen Kontrabassraum, eine Teeküche, mittenmang im großen Aufnahmesaal zwei Flügel. Für CD-Einspielungen und Arrangements, für TV- und Videoproduktionen hat Wolf neuerdings kurze Wege — er kann daheim bleiben.

Die beschwingte Dachform des Hauses inspirierte ihn übrigens zum Namen „Wavehouse Studios“. Pop, Klassik, Jazz, Schlager: Wenn das Zwischenmenschliche stimmt und der Hausherr nickt, kann hier aufnehmen, wer mag. Big Bands mischt Wolf selber ab, für andere Stilrichtungen, die anderen Klangvorstellungen folgen, kommen Tonmeister seines Vertrauens aus Hamburg, Berlin, München.

Das Wichtigste an einem Tonstudio, sagt Wolf, das sind ein Tonmeister mit Ohren und eine Technik, die funktioniert. „Ich hab’ schon weltmeisterlich ausgestattete Studios gesehen. Aber wenn Sie mit einer Big Band aufschlagen und die Technik streikt, dann kostet sie die Wartezeit einen Haufen Geld.“ 16 wartende Vollprofis — richtig teuer kommt das. Die ersten „Wellenreiter“ in den Wavehouse Studios waren, so weit man weiß, pannen-

frei unterwegs. Das Fürther Elisen Quartett hat Beethoven eingespielt. Der Sound zur „Sternstunden“-Gala wurde komplett hier aufgenommen. Mit der Thilo Wolf Big Band und Jutta Czurda entstand die Aufnahme zur Stadttheater-Produktion „Love me Gershwin“, das Album erscheint in diesen Tagen.

Mehrfacher Preisregen

Bei all dem darf Thilo Wolf das Privileg genießen, nicht müssen zu müssen. Im Hauptberuf führt er weiterhin die vom Vater gegründete Werbemittelfirma mit Stammsitz Poppenreuth — ein Sicherheitsnetz, das dem Pianisten und Schlagzeuger erlaubte, schon als Jugendlicher seiner Jazz- und Swing-Leidenschaft zu frönen. Mit nur 24 Jahren stellte er, der damals schon alle Fürther Talent- und Nachwuchspreise in der Tasche hatte, seine erste Big Band auf die Beine. Nicht erst heuer, im Jubiläumsjahr 2012, ist das Orchester eines der führenden Ensembles seiner Art, kräftige Rundfunk-Präsenz inklusive — am 1. März sendet der BR ein Wolf-Porträt.

„Ich glaube, es ist die ausgewogene Mischung von Teamplayern und Solisten, die eine gute Big Band von einer sehr guten unterscheidet“, so Wolf, der bescheiden die Unterstellung zurückweist, er stehe einer sehr guten Big Band vor. „Nach zwei Jahrzehnten ,weiß‘ ich mehr über diese Musik und kann die Band viel besser auf den Punkt besetzen.“ Zum Beispiel mit zwei Ersten Trompeten. Einmal nämlich zahlte Wolf kräftig Lehrgeld.

Sein Erster Trompeter, lang ist’s her, versagte nach wild durchzechter Nacht bei einem Auftritt der Band völlig. Seitdem geht der Chef, der Disziplinlosigkeit und lasche Typen überhaupt nicht mag, auf Nummer sicher. Außerdem: Zwei Leader, die einander abwechseln, halten den Sound bis zum Konzertende frisch. Einen Sound, den inzwischen nicht mehr nur Wolf ertüftelt, sondern auch andere Fürther Jazzgrößen wie etwa Peter Fulda und Christoph Müller. Wolf: „Ich liebe eine klare Sprache in den Arrangements. Dabei versuche ich, dass immer eine Musik herauskommt, die mehr unterleibsmäßig als kopfmäßig gesteuert ist.“ Nicht dass er Berührungsängste vor Zwölftonmusik hätte, im Gegenteil; ein knackfrischer Rhythmus aber sollte stets die Hauptrolle spielen.

Werbung
Werbung

Zum — vom Fernsehen aufgezeichneten — Jubiläumskonzert der Big Band am kommenden Mittwoch und Donnerstag im Stadttheater zeigen Jutta Czurda und Caroline Kiesewetter, die schnucklige Gabrielle der dritten „Petticoat & Schickedance“-Staffel, was in ihnen steckt. Zum Big Band Battle der kuriosen Art erscheint das Deutschrock-Trio Skibbe. Im wahrsten Sinne versöhnliche Noten stimmt Wolf mit Charly Antolini an. Der Altmeister brachte einst dem 16-Jährigen in Nürnberg das Schlagzeugspiel bei, der Zögling nahm mit ihm seine erste Platte auf. Als er die Big Band gründete, war Antolini nicht an Bord. Nach einigen Jahren auf Gefriergraden ist nun Tauwetter auf mindestens 80 Spuren. „Ich bin sehr froh, dass er wieder dabei ist“, sagt Thilo Wolf.

Wäre doch eigentlich ein guter Anlass für eine pompöse Hymne mit großorchestralem Anstrich. Im Studio sind sicher noch Termine frei.

20 Jahre Thilo Wolf Big Band: 1. und 2. Februar, Stadttheater, jeweils 19.30 Uhr. Es gibt noch Eintrittskarten (11–33 Euro) beim FN-Ticket-Point (Rudolf-Breitscheid-Straße 19).