Gut besuchte Gedenkveranstaltung in der Gunzenhäuser Stadthalle

18.4.2015, 08:00 Uhr

Der 70. Jahrestag des schweren Bombenangriffs auf Gunzenhausen am 16. April 1945 ist ein singuläres Ereignis in der Stadtgeschichte. Die Gedenkveranstaltung am Donnerstagabend in der Stadthalle war gut besucht, und es gelang, ein wenig die damaligen Ereignisse ins Bewusstsein zu rücken. Der Schmerz, das Entsetzen von damals wurden fühlbar. Es war deshalb ein würdiges Zusammenkommen – lange sieben Jahrzehnte danach.

Bürgermeister Karl-Heinz Fitz und Stadtarchivar Werner Mühlhäußer war daran gelegen, die junge Generation in das Erinnern einzubinden. Das kann nur freiwillig, nicht verordnet, geschehen. Dem Ruf folgten das Simon-Marius-Gymnasium, die Stephani-Mittelschule und die Mädchenrealschule Hensoltshöhe. Von daher Fitz’ großes Lob und Anerkennung: „Sie haben sich der Thematik, einem wichtigen und vor allem einem traurigen Teil der Geschichte Gunzenhausens, auf verschiedenste Arten genähert und damit auseinandergesetzt.“ Vor allem hätten die jungen Leute von sich aus Engagement bewiesen.

Die Gymnasiasten haben unter der Leitung der Lehrer Susanne Liebl und Wolfgang Osiander den Film „Dass wir heute noch leben, dafür können wir ewig dankbar sein“ produziert. Zu Wort kommen in dem etwa 25-minütigen Streifen die Zeitzeugen Inge Schömig, Frieda Liebhard, Ilse Schwarzbeck, Erna Kuhlmann, Heinz Wolf und Heinz Menzel. Sie haben alle lebhafte, auch erstaunlich detaillierte Erinnerungen an den strahlenden Frühlingstag, an dem die US-Bomber in fünf Wellen angriffen und 141 Männer, Frauen und Kinder den Tod fanden. Es war in vielen Fällen Zufall, wo man damals nach dem Voralarm Unterschlupf suchte. Der Brauns­keller jedenfalls war an jenem Tag nicht sicher, er erhielt einen Volltreffer, allein dort starben 115 Menschen.

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Heinz Menzel und seine Mutter befanden sich im hinteren Teil des Braunskellers, sie hätten auch weiter vorn noch Platz gefunden. Dort tobte wenig später das Inferno. Das Ausmaß der Katastrophe wurde den beiden erst später bewusst. Heinz Wolf hielt sich nicht im Braunskeller auf. Er bekam mit, wie ein Nachbargebäude des eigenen Wohnhauses zerstört wurde, wie ein Ehepaar den Tod fand, weil es im Keller gefangen war und ertrank, weil die Wasserleitungen kaputt waren. Andere Menschen waren ebenfalls verschüttet, konnten aber befreit werden. Die vier anderen Zeitzeugen wurden im Burkhard-von-Seckendorff-Heim befragt.

Stephani-Mittelschüler haben, begleitet von Lehrerin Agnes Wist, eine Opfergedenkwand gebaut. Auf den 141 Steinen stehen die Namen der Toten. Sechs Steine blieben allerdings unbeschriftet, weil nach dem Bombenangriff sechs Opfer nicht identifiziert werden konnten.

Eine kleine, feine Ausstellung haben Realschülerinnen auf die Beine gestellt. Ihnen ging Lehrerin Barbara Koch zur Hand. Der Schwerpunkt liegt auf dem Ausmaß der Zerstörungen im Stadtgebiet. Straßenzüge wurden zum Trümmerfeld. Bilder von damals und heute stehen in scharfem Kontrast.

Für Bürgermeister Fitz ist klar, dass in der heutigen, scheinbar so sicheren und behüteten Zeit in Deutschland Krieg, Gewalt und Zerstörung zwar allgegenwärtig sind – über die Medien – und gleichzeitig weit entfernt erscheinen. „Wir werden nicht wirklich berührt oder bewegt. Wir haben uns fast schon daran gewöhnt. Wir können uns nicht wirklich vorstellen, dass so etwas auch bei uns stattfindet.“ Doch am 16. April 1945, zwischen 10.10 und etwa 11 Uhr, sei genau das eingetreten: Tod, Elend, Verderben, größte Zerstörungen und vor allem der Verlust von 141 Menschenleben, darunter auch ausländische Zwangsarbeiter. Eine Woche später sei die US-Armee in Gunzenhausen eingerückt, was die Sinnlosigkeit des Luftangriffs vom 16. April nur noch augenfälliger mache.

Gunzenhausen zeichne sich dadurch aus, dass es sich sehr intensiv mit seiner Vergangenheit, auch der unrühmlichen, auseinandersetze und dies auch weiter tue, betonte der Rathauschef. Die Gedenkfeier solle dem entsprechen. Sie sei Andenken an die Opfer, Mahnung gegen den Krieg und Hinweis, welche Folgen Krieg mit sich bringe – Folgen auch für die Zivilbevölkerung, „für Frauen, Kinder, Senioren und Menschen, die keine Chance hatten, sich zu wehren oder dem Tode zu entgehen“.

Große Sorgfalt und Mühe hatten sich Bernhard Krikkay und Max Pfahler gemacht, um die passende musikalische Begleitung der Veranstaltung zu finden. Die ausgewählten, am Flügel vorgetragenen Stücke waren nicht immer leicht und angenehm,  genau deshalb waren sie so stimmig für diesen Anlass. Die beiden heimischen Musiker hatten unter anderem Stücke des Komponisten Gerhard Deutschmann ausgewählt. Dieser stammte aus Ostpreußen, fand nach dem Zweiten Weltkrieg in Markt Berolzheim eine Bleibe, ging in Gunzenhausen zur Schule, bevor er eine akademische Musikausbildung machte. Über seine Gunzenhäuser Zeit und seine Förderung durch Kirchenmusikdirektor Karl Hunger sagte er: „Er hat mich kostenlos unterrichtet, weil ich ein armes Flüchtlingskind war (...) Ihm habe ich am meisten zu verdanken.“

Die Besucher nutzten nach dem Ende des offiziellen Teils die Gelegenheit, sich die Schülerarbeiten anzu­sehen. Im Blickpunkt stand auch ein Gemälde von Reinhard Zimmermann aus Mörsach. Die bereits veröffentlichten Presseberichte über den Fliegerangriff haben ihn zu dem Bild „Inferno über Gunzenhausen April 1945“ veranlasst. Wer erahnen will, was die Menschen damals fühlten, sollte sich in das Bild vertiefen.