Erleichterung und Müllsammelwut nach "Open Beatz"-Festival

21.7.2015, 16:00 Uhr

Praktisch Tag und Nacht am Handy: der Veranstalter Florian Gebauer, hier vor der Hauptbühne (Bild) des "Open Beatz"-Festivals. Zusammen mit Kompagnon Stephan Zeller wurden die Abbauarbeiten koordiniert. © Hubert Bösl

Der Tag nach dem "Open Beatz"-Festival: Oma Anna Hager aus Höfen ist „froh, dass es vorbei ist“. Wegen des über ihren Ort hinweg brandenden Musiklärms verbrachte die 74-Jährige von Samstag auf Sonntag die halbe Nacht vor dem Fernseher. Als sie zu Bett ging, musste sie die Fenster schließen. "Mein Mann war zum Glück in der Kurzzeitpflege."

Noch am Tag nach dem viertägigen Elektrofestival – übrigens dem einzigen dieser Art in Bayern – tragen Anna Hagers Sohn Uwe und der Enkel die roten Eintrittsarmbänder. Sie erlebten das Spektakel als Besucher vor Ort mit.

Mit dem permanenten Autolärm konnte sich Uwe Hager nicht so recht anfreunden. Statt unendlich vieler Autos auf dem neun Hektar großen Festivalparkplatz wäre ihm ein "Park und Ride"-System lieber gewesen.

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Gastwirtin Renate Pfister vom Landgasthof Schuh in Dondörflein setzte sich sogar mit ihrem Ehemann nach dem Gartengießen auf die Terrasse, um den Festivalsound zu genießen. Ihre Nachbarin brauchte dagegen Orapax-Stöpsel zum Einschlafen.

Die Höfener Reitstallbesitzerin Erika Aberle störte die Musik nicht, Auch ihre Pferde ließen sich davon nicht verrückt machen. Nur die Oma wollte sich mittags eine Bratwurstsemmel auf dem Festivalgelände kaufen. Doch dafür hätte sie ein teures Ticket lösen müssen und verzichtete.

Nur einmal zu viel Dezibel

Nur fünf Beschwerden gingen beim Ordnungsamt über zu laute Festivalmusik ein. Einsatzleiter bei der Polizei war Norbert Wetz. Nur in der Nacht zum Samstag waren um 0.12 Uhr die zulässigen Höchstwerte von 55 Dezibel knapp überschritten worden. Sofort forderte die Polizei den Veranstalter auf, leiser zu drehen. Mit Erfolg.

An allen übrigen Tagen wurden in Puschendorf, Zweifelsheim und Höfen die Grenzwerte eingehalten. Das ergaben von der Stadt organisierte Lärmmessungen. Ganz vereinzelt habe es dennoch Klagen aus Hauptendorf, Falkendorf und Herzogenaurach gegeben. Polizist Wetz sah aufgrund der Messungen und eigener Wahrnehmung "keine gravierenden Lärmbelästigungen". Das seien wirklich nur "ganz schwache" Ausreißer gewesen. Lärmempfinden sei aber subjektiv: "Den einen stört’s, den andern nicht." So manche Kirchweih in Umlandorten sei bestimmt lauter.

Am Montagmorgen gaben die Lastwagenmotoren und schweren Dieselaggregate von Kränen den Ton auf dem "Open Beatz"-Gelände an. Wer in die noch fast jugendlichen Gesichter des Veranstalter-Duos mit Florian Gebauer und Stephan Zeller schaut, mag kaum glauben, dass diese zusammen einen Etat von fast einer Million Euro für das Festival verantwortet haben. "Allein das Ausleihen der Bühne kostet 200.000 Euro", so Gebauer. Das viertägige Festivalticket kostete zuletzt 64 Euro für Schüler.

Auf Facebook gepostete Kritik an den Preiserhöhungen heuer mag Gebauer nicht gelten lassen: "Das ist immer noch saubillig", gemessen an anderen Festivals. Er hofft, bis Ende dieser Woche auf bis zu 2000 verkaufte Tickets für das nächstjährige Herzogenauracher Festival.

Trotz des Riesenetats: Wirklich "Geld verdient" hätten die aus Günzburg stammenden Jungunternehmer mit dem Herzogenauracher "Open Beatz"-Festival noch nicht. "Vielleicht in vier oder fünf Jahren." Bis dahin wird Jungmanager Gebauer bei "Open Beatz" bis nachts um 5 arbeiten, um dann ab 7 Uhr wieder auf der Matte zu stehen.

Auf fast schon ähnliche Arbeitszeiten kommt bei ihnen so manche Minijoberin, die jetzt mit dem roten Müllsack über den Festival-Campingplatz streift. 4000 Besucher zelteten. Jede Menge leere Suppentüten, löchrige Wasserbassins — am Freitag hatte es 38 Grad — aber auch eingestürzte Zelte und unzählige Plastikreste. Und auch einzelne, voll funktionsfähige Campingstühle. "Das wird alles weggeschmissen", so Veranstalter Stephan Zeller ungerührt.

Die Abiturientin Shinin Aimann ist heuer erstmalig beim Aufräumen dabei. Bücken und immer wieder bücken nach den Müllresten. Darunter auch das ironische Pappschild "Sexpuppe vermisst". Im Einsatz auch Arbeitskollegin Nadine, ebenfalls eine Abiturientin. Gerade sammelt auch sie Müll ein, während des Festivals kümmerte sie sich um den Service im V.I.P.-Zelt. Kisten schleppen oder am Parkplatz einweisen. Die Ausstattung des V.I.P.-Zelts wurde von den aus aller Herren Länder angereisten DJs hoch gelobt. So mancher Promi landete nach dem Auftritt versehentlich aber im Poppenhofer Weiher hinter dem Promi-Zelt.

Wie auf Segelschiffen

"Ich bin ready, wenn ihr ready seid", ruft Ground-Helfer und Techniker Tenzin Hofinger seinen "Riggern" hoch oben auf der Arbeitsplattform zu. Sie sind gerade mit dem Abbau der "Wackelkopflampen" beschäftigt. Alle drei gehören zur Nürnberger Firma sld Mediatec. Hofinger erklärt: "Die Rigger kletterten früher auf Segelschiffen hoch in die Takelage."

Trotz des Werkelns in luftiger Höhe kann sich sein Kollege Jürgen Hauke an keine Unfälle erinnern. "Wir sind Fachleute, da muss jeder Handriff sitzen." Dann hilft er weiter, als die riesigen mattschwarzen Kisten mit Subwoofern durch den hellgrünen, fürs Gelände geeigneten Manitu-Gabelstabler angeliefert und in den Lastwagen verladen werden. Ein Equipment in Millionenwert.

Bis zum Dienstag sollen 90 Prozent der Abbauarbeiten erledigt sein. Das Riesenrad der Firma Göbel steht dann längst beim Hofer Volksfest. Auf dem provisorischen Campingplatz habe einige Gäste Löcher gegraben, um ihre Müll zu deponieren. Mancher Müllsammlerin wären diese beinahe zum Verhängnis geworden.