Schulübertritt: „Eltern sollten frei entscheiden“

22.10.2016, 06:00 Uhr

„Wir haben inzwischen viele absteigende Bildungsbiografien“, sagt Michael Ulbrich. Der Leiter der Ritter-von-Spix-Schule kennt zahllose Beispiele von Jungen und Mädchen, die nach der Grundschule aufs Gymnasium kamen und dann nach unten durchgereicht wurden. Natürlich sollte es besser umgekehrt sein, meint er.

Ulbrich hält es für falsch, schon im Alter von zehn Jahren über den weiteren Bildungsweg zu entscheiden. „Wir brauchen einen dynamischen Begabungsbegriff“. Die Mittelschule sei heute keine reine Pflichtschule mehr, sondern böte viele verschiedene Angebote sowie drei unterschiedliche Abschlüsse — darunter die Mittlere Reife. 600 Jungen und Mädchen besuchen die Spix-Schule in Höchstadt. Sie werden betreut von 60 Lehrkräften.

„Es stimmt einfach nicht, dass ein Kind bei uns schlechtere Chancen hat“, sagt Ulbrich. Wenn die Eltern beim Übertritt komplett frei entscheiden könnten, würden sie die Möglichkeiten erkennen, die die Mittelschule bietet, hofft er. Momentan entscheidet zunächst der Notendurchschnitt. Bedenken, dass die Mittelschule bei einer Änderung womöglich ganz ohne Schüler dastünde, hat Ulbrich nicht. „Wir bieten ja alles“, sagt er. „Und dann könnten wir viel mehr auf Augenhöhe agieren.“

Werbung
Werbung

Die Klassen seien kleiner, die individuelle Förderung besser, das fachliche Angebot breit. Bei Unternehmen seien seine Absolventen wegen der praktischen Ausrichtung der Schule gefragt. „Wir würden uns einfach wünschen, dass das alles auch wahrgenommen wird.“

Natürlich gebe es auch Dinge, die zu verbessern seien. Aber Ulbrich will nicht jammern. Das muss er auch gar nicht, denn die Ritter-von-Spix-Schule in Höchstadt, die er leitet, ist gut aufgestellt, technisch top ausgestattet und im schick sanierten Gebäude untergebracht. Trotzdem sagt er mit Blick auf die Politik: „Wenn ich mich entscheide, das dreigliedrige System zu erhalten, muss ich auch alle Glieder gleichstellen.“

Beispiele, dass die Realität anders aussieht, fallen Ulbrich und Konrektor Helmut Nicklas viele ein. Es beginnt bei der Stunden-Zuteilung für Sekretariat und Verwaltung oder für die Leitung der Schule. „Da sind wir schon benachteiligt.“

Auch beim Thema Übertritt stößt den beiden eine Ungerechtigkeit sauer auf. Realschüler und Gymnasiasten werden in der fünften Klasse von so genannten „Lotsen“ begleitet — Grundschullehrer, die die Kinder bereits kennen und in der Anfangszeit Brücken bauen. Nur an der Mittelschule ist dafür kein Zeit-Budget vorgesehen.

Nicht zu verstehen

„Und eins kann ich wirklich überhaupt nicht verstehen“, sagt Ulbrich, „die Lehrer bei uns werden schlechter bezahlt“. Da müssten sich Politiker nicht wundern, dass Stellen unbesetzt blieben, während an den anderen Schulformen die Bewerber Schlange stünden.

Das hat nach Meinung des Schulleiters, der sich auch lokalpolitisch engagiert, absolut nichts mit der Qualität der Mittelschule zu tun. Im Gegenteil: „Ich habe viele Kollegen, die per Zufall an der Mittelschule gelandet sind und bemerkt haben, wie viel Spaß es macht, nach Klassenleiterprinzip zu unterrichten — also die Schüler in möglichst vielen Fächern zu unterrichten und zu begleiten.“

Viele spätere Lehrer haben als Schüler ein Gymnasium besucht. „Sie kennen Mittelschulen oft gar nicht von innen“, sagt Michael Ulbrich. Bei Politikern ist das übrigens ähnlich.