Lebensretterin: Sechsjährige bewahrte Mutter vor dem Tod
11.4.2018, 18:35 UhrMarkus Söder mit seinem Gardemaß von 1,94 Metern musste sich ein wenig nach vorne beugen, als er der kleinsten Geehrten des Tages zwei Christophorus-Medaillen überreichte. Schließlich musste Melina Hacker aus Forchheim jeweils auf einen Stuhl steigen, als sie im Alter von vier und von fünf Jahren ihrer hilflos in der Wohnung liegenden Mutter das Leben rettete.
"Anders wäre Melina nicht an den Schalter für den Türöffner gekommen und hätte die Rettungskräfte nicht in die Wohnung lassen können", erklärt Madeleine Hacker, die an Diabetes leidet und deswegen immer wieder mal in gefährlichen Unterzucker gerät. Eine Krankheit, mit der die kleine Tochter der 35-Jährigen aber seit jeher souverän umgeht. Mit vier Jahren nahm das aufgeweckte Mädchen seiner Mutter bereits regelmäßig Blut aus der Fingerkuppe ab und analysierte den Blutzuckerspiegel mit Hilfe eines Teststreifens.
Wenn die Werte zu niedrig sind, füttert sie die Tochter mit Traubenzucker oder mit Gummibärchen. Oft geschieht das auf spielerische Art und Weise: "Zwei Bärchen für die Mama, zwei für Melina und wieder zwei für die Mama", erzählt Madeleine Hacker und lacht. Die alleinerziehende Mutter ist sichtlich stolz auf ihr Kind, das feine Antennen für den Zustand seiner Mitmenschen entwickelt hat.
Preisträgerin hielt sich an präzisen Ablaufplan
"Melina merkt sofort, wenn es ihrer Mutter nicht gutgeht", weiß ihr Vater Matthias Hacker, der inzwischen zwar von seiner Frau getrennt lebt, aber einen genauen Ablaufplan für Komplikationen bei der 35-jährigen ausgearbeitet hat.
Im Handy sind alle seine Nummern gespeichert, und für den Fall des Notfalls geht er mit seiner Tochter ein präzises Frage-Antwort-Schema durch.
Matthias Hacker profitiert hier auch von seiner früheren Arbeit im Rettungsdienst, und seine Tochter hat schon früh einiges vom Engagement ihres Papas beim Bayerischen Roten Kreuz (BRK) mitbekommen. "Unsere ganze Familie engagiert sich dort, und Melina hat auch schon in der Losbude des BRK beim Annafest mitgeholfen", erzählt Hacker.
Helfern Löcher in den Bauch gefragt
Zum ersten Mal bekam Melina im Alter von zwei Jahren etwas von der Krankheit der Mama mit. Als Madeleine Hacker damals von den Rettungssanitätern versorgt wurde, war ihre Tochter überhaupt nicht verängstigt, sondern ziemlich neugierig. Sie habe genau wissen wollen, was da passiert, und habe die Helfer Löcher in den Bauch gefragt, erinnert sich ihre Mutter.
Krankheit und ihre Auswirkungen auf den Alltag waren für die mittlerweile sechs Jahre alte Lebensretterin nie etwas Ungewöhnliches. Melina selbst war wenige Monate nach ihrer Geburt schwer erkrankt, weshalb ihr eine Niere entfernt werden musste. Vielleicht auch deshalb agiere sie in kritischen Situationen so erstaunlich abgeklärt, mutmaßt ihr Vater.
Mamas Krankenschwester
"Wenn Sie mir hilft, verhält sie sich wie eine Erwachsene. Als wenn da in ihrem Kopf ein Schalter umgedreht wird", erklärt Madeleine Hecker. "Mama, ich bin deine Krankenschwester", sage ihre Tochter dann. Selbst in den beiden Fällen, in denen der Unterzucker der 35-Jährigen lebensbedrohliche Ausmaße angenommen hatte, blieb Melina ruhig und kann deshalb heute beim Festakt des bayerischen Ministerpräsidenten in der Münchner Residenz gleich zwei Christophorus-Medaillen in Empfang nehmen.
Diese Auszeichnung erhalten Menschen, die jemanden unter besonders schwierigen Umständen aus Lebensgefahr retten. "Mit ihrem Mut und ihrer Mitmenschlichkeit sind unsere Lebensretterinnen und Lebensretter ein Vorbild für uns alle. Das gilt besonders für die Kinder und Jugendlichen, deren Einsatz für andere mich besonders beeindruckt", schreibt Markus Söder in seinem Grußwort.
Jüngste Geehrte in diesem Jahr
Der kleinen Lebensretterin aus Oberfranken wird der Gastgeber deshalb wohl auch einige zusätzliche Sätze in seiner Laudatio widmen, ist Melina Hacker doch die mit Abstand jüngste Lebensretterin, die in diesem Jahr ausgezeichnet werden wird. Immerhin braucht die Sechsjährige, die heute von ihren Eltern und Großeltern begleitet wird, keinen Stuhl mehr, um den Türöffner zu betätigen. "Wenn sie sich auf die Zehenspitzen stellt, kommt sie inzwischen auch so ran", sagt ihre Mutter.