13. Oktober 1967: Von Schule zu Schule

13.10.2017, 07:00 Uhr

Alle diese Kinder gehören zur weltbekannten Traber-Renz-Truppe, die gegenwärtig auf dem Hauptmarkt ihre Künste auf dem Hochseil zeigt. Etwa 20 bis 30 Schulen im Jahr müssen die Buben und Mädchen - oft nur für wenige Tage - dort besuchen, wo sie ihre Tournee hinführt.

Die Artistenkinder haben vor allem gelernt, sich schnell einer neuen Umgebung anzupassen und auch Freundschaften zu schließen, selbst wenn sie nicht von langer Dauer sein können. Mit Manuela, Aurelia und Karl kam ein Hauch der aufregenden Welt der Artisten in die Alltäglichkeit des Unterrichts am Frauentorgraben. Lautlos lauschten die Buben und Mädel, als Lehrer Reinhold Söder die Artistenkinder bat, etwas von ihren letzten Erlebnissen zu erzählen.

Sie kamen gerade aus Dänemark und wußten viel Interessantes von der Fahrt mit ihrem Wohnwagen von der Ostsee herab nach Franken zu berichten. Sie lernen alle fleißig mit, wie Lehrer Söder bestätigt. Trotzdem haben sie es ungleich schwerer als ihre Klassenkameraden, denn die Bildungspläne sind nicht in allen Bundesländern gleich, der Leistungsstand der Klassen weicht oft sehr voneinander ab und die Schulbücher sind in Bayern anders als an der Waterkant oder in Düsseldorf, ihrer Heimatstadt. Nur in der Stadt am Rhein können die Kinder drei bis vier Monate lang die gleiche Schule besuchen, weil dort die Traber-Renz-Gruppe ihr Winterquartier hat. Von Vorteil ist gerade für diese Kinder, daß der Schuljahresbeginn nun im Bundesgebiet einheitlich geregelt ist. Hier gab es früher noch besondere Schwierigkeiten.

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Während noch die Erwachsenen am neuen Ort ihres Gastspiels die hohen Gittermasten aufbauen, marschieren die beiden Buben und Mädels schon zur nächsten Volksschule, um sich anzumelden. In ihr "Schulbuch" trägt der Rektor den Tag der Anmeldung und auch der Abmeldung ein und setzt das Dienstsiegel darunter. Auf den Seiten dieses Buches reichen sich "amtlich" besiegelt alle Bundesländer die Hand. Sie zeigen den Fahrplan der Kinder - im letzten Jahr von Hörnum auf der Insel Sylt über Seesen im Harz und Westberlin bis Regensburg und Ingolstadt. Nun wird auch Nürnberg auf den Seiten dieses Dokuments der kleinen Scholaren der Gegenwart vertreten sein.

Mit großer Sorgfalt müssen die Kinder ihre Schulaufgaben machen, weil die Eltern in diesem Punkt, besonders wegen der unvermeidlichen Nachteile des häufigen Schulwechsels, besonders streng sind. In ihrer Freizeit tollen Manuela, Aurelia, Karl und André genauso gern herum, wie alle ihre anderen Altersgenossen, nur wird auch das Spiel oft bei ihnen von den notwendigen gymnastischen Lockerungsübungen unterbrochen.

Manuela, Aurelia und Karl sollen schließlich eines Tages Artisten werden und dem kleinen Andre nacheifern, der mit seinen neun Jahren schon den Kopfstand auf dem Hochseil meisterhaft beherrscht. "Mit möglichst wenig Zwang", sagt Peter Traber, "werden sie an die Arbeit eines Hochseilartisten herangeführt, denn nur Liebe und Begeisterung zum Beruf befähigen uns zu großen Leistungen." Bis es soweit ist, werden sie noch in vielen Schulen die Bänke drücken müssen, die kleinen "Scholaren" (fahrenden Schüler) der modernen Zeit.