9. Oktober 1969: Enttäuschendes Gutachten: Eingangstor im Mini-Kleid

9.10.2019, 07:00 Uhr

Denn der Landesbaukunstausschuß und die Landesgruppe Bayern der Akademie für Städtebau und Landesplanung haben als Gutachter einen Entwurf „dringend empfohlen“, dem Oberbürgermeister Dr. Urschlechter das Prädikat „ländlich“ verlieh. Geduckte Bauten, wohin das Auge blickt, mit einem Gebäude an der Landesgewerbeanstalt, das nicht einmal die Höhe der „Norishalle“ erreicht. Was blieb deshalb dem Gremium bei der gestrigen Sitzung anderes übrig als ein neuerliches Gespräch mit den Gutachtern ins Auge zu fassen, um zu retten, was noch zu retten ist. Scheitert dieser Versuch, bleibt noch die Vermittlung, die der bayerische Innenminister angeboten hat.

Zur Einleitung hatte Baureferent Heinz Schmeißner den Gang der Dinge geschildert: wie die Bauverwaltung vier Lösungen ausgearbeitet und dem Landesbaukunstausschuß sowie der Städtebau-Akademie vorgelegt habe, wie sie sich dabei bemüht habe, den Auflagen gerecht zu werden und die Flucht der Stadtmauer an der Ringseite einzuhalten sowie bei der Gebäudehöhe die Maßstäbe der alten Stadtumwallung zu berücksichtigen. Was jedoch inzwischen herausgekommen ist, veranlaßte ehrenamtliche Stadträte im Ausschuß, zweimal hinzusehen. Denn beim ersten Blick aufs Modell gelang es nicht, die geplanten Neubauten auszumachen.

Ein gegenüber dem Entwurf von Dittrich und Kappler und zahlreichen preisgekrönten Arbeiten auf Zwergenmaße zusammengeschrumpfter Klotz soll einen repräsentativen Abschluß vis àvis vom Königstor abgeben. Es folgt die Erweiterung der Kunsthalle um 1100 bis 1400 Quadratmeter in der Zwingerzone. Am Gewerbemuseumsplatz steht ein Mini-Bau. Dazwischen bleibt alles beim alten, wenn es nach der Variante geht, die im Gutachten – Heinz Schmeißner und Baudirektor Diether Kohler, der Chef des Stadtplanungsamtes, haben daran nicht mitgewirkt – als räumlich knappste bevorzugt wurde. Was die Stadtväter davon hielten, sprach deutlich SPD-Fraktionsvorsitzender Willy Prölß aus. Entgegen dem ausdrücklichen Willen des Stadtparlaments seien im Bauhof vier Entwürfe ausgearbeitet und dem Landesbaukunstausschuß sowie der Städtebau-Akademie gezeigt worden. „Wären sie zuerst dem Stadtamt vorgelegt worden, hätte man ein Projekt auswählen und über Einzelheiten mit den Gutachtern diskutieren können“, kriti-sierte Prölß das Verfahren und beschwerte sich: „Der Stadtrat ist ausgetrickst worden. Nun heißt es ‚Vogel friß oder stirb‘, weil das Gutachten schon da ist.“ Im gleichen Atemzug stellte der SPD-Sprecher auch die Frage nach dem Sinn von Ideenwettbewerben, von denen schließlich keine Spur mehr vorhanden ist. „Ist man an eine Jury und deren Entscheidung gebunden oder kann der Landesbaukunstausschuß gänzlich andere Vorstellungen entwickeln?“ Von der Antwort darauf machte Prölß abhängig, ob die SPD-Fraktion auch künftig Bauwettbewerbe befürworten könne.

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„Es berührt mich merkwürdig, daß am Gutachten Herren mitgewirkt haben, die sich sogar am Ideenwettbewerb beteiligt hatten. Das empfinde ich zumindest als Schönheitsfehler“, fuhr der SPD-Fraktionsvorsitzende fort, der in dem neuerlichen Urteil jeden echten Rat vermißte. „Man hat nur architektonische Gesichtspunkte berücksichtigt. Von der Urbanität der Stadt her hat man sich keine Gedanken gemacht. Wenn beispielsweise das Kunst- und Bildungszentrum nicht am Gewerbemuseumsplatz errichtet werden kann, muß es zwangsläufig an den Rand der Stadt rücken. Auch über solche Auswirkungen hätte ich ein Wort erwartet.“

Was den Ideenwettbewerb anging. fand Lippert den Fehler bereits in der Ausschreibung. „Er war eine Mischung und hat die Aufgabe von Anfang an nicht deutlich genug abgegrenzt. Man hat von den Architekten Ideen verlangt, vollgepflastert mit Wünschen für das Bauprogramm.“ „Ausgerechnet beim Monster-Bau Landesgewerbearztalt käme ein Mini-Bau hin. Da kommen wir nicht mit“, erklärte Dr. Andreas Urschlechter und versicherte: Wir wollen kein Alt-Heidelberg bauen. Ich bin gegen riesige Bauten, aber dieser Entwurf stellt das Extrem nach der anderen Seite dar. Wir müssen ietzt – ohne mittelmäßig zu sein – einen Mittelweg ansteuern, ohne daß dabei das Prestige, des einen oder anderen Not leidet. Wir Nürnberger wünschen keine Eitelkeiten, sondern sauberen Kompromiß.“

Nachdem mit dem Stadtoberhaupt der ganze Ausschuß einig war, aus der Bebauung des Ringes vom Hauptbahnhof bis zur Pegnitz keine Prestigeangelegenheit zu machen, und Bürgermeister Franz Haas ruhig und sachlich für eine höhere Bebauung eingetreten war, beschlossen die Mitglieder des „Königstorausschusses“ ein Gespräch mit Landesbaukunstausschuß und Städtebau-Akademie hinter verschlossenen Türen zu führen, in der Hoffnung, daß dabei eine für Nürnberg annehmbare Lösung herauskommt. Dr. Urschlechter ließ allerdings keinen Zweifel daran, wie es bei dieser Runde zugehen wird: „Das gibt kein schönes Kaffee-Gespräch, sondern ein hartes Ringen!“