Fall 21: Eine Zerreißprobe

3.12.2019, 12:21 Uhr

Der Mann hielt sich und seine Familie als Handwerker mit einem kleinen Ein-Mann-Betrieb über Wasser. Als der 46-Jährige auf einer Baustelle urplötzlich zusammenbrach, tippten alle auf einen Schlaganfall. Tatsächlich aber war die Hauptschlagader geplatzt. Der Rettungsdienst benötigte eine gefühlte Ewigkeit, den Patienten auch nur transportfähig zu machen. In der Klinik gaben sich die Ärzte erst noch optimistisch. Doch wenige Tage später war klar: Sie konnten sein Leben nicht retten.

Die Mutter Fiona D. (alle Namen geändert) fühlte sich in mehrerer Hinsicht überfordert. Vor allem: Wie sollte sie das den Kindern vermitteln? Ihr Sohn Justin war offenbar schon bei den ersten Beschwichtigungen ("Mach dir keine Sorgen") hellhörig geworden. Er stellte dann auch von sich aus die Mutter zur Rede, um die längst geahnte, bittere Wahrheit bestätigt zu bekommen. Und weil für ihn offenbar der Vater am stärksten Sicherheit und Geborgenheit verkörperte, entwickelte er massive Verlustängste – die alsbald auch in blinde Wut und Aggressionen umschlugen.

Familie musste Wohnung verlassen

Werbung
Werbung

Bis die Mutter die Notbremse zog und beim Jugendamt um Hilfe bat. "Ich konnte einfach nicht mehr, manchmal war ich fast wie gelähmt", erzählt Fiona D. Weder mit ambulanten Hilfen noch Maßnahmen wie einer Mutter-Kind-Kur war eine Entkrampfung zu erreichen. Erst die Aufnahme des Jungen in einer Mini-Wohngruppe einer stationären Einrichtung brachte eine Entlastung.

Gleichzeitig sah sich die Mutter mit neuen Problemen konfrontiert: Inzwischen auf Leistungen vom Jobcenter angewiesen, musste sie die – als viel zu groß erachtete – frühere Wohnung gegen eine kleinere tauschen. Während der Neuberechnungen blieb das Jobcenter monatelang alle Zahlungen schuldig – der Mutter blieb nichts anderes übrig, als reihum Bekannte anzupumpen. Wenigstens zu Weihnachten soll die kleine Familie zusammenfinden und neue Hoffnung schöpfen.