Keine Besucher wegen Corona: So geht es Nürnbergs Zootieren

25.3.2020, 05:37 Uhr

"Im Moment können wir über Verhaltensänderungen noch nichts sagen, aber wir sammeln unsere Beobachtungen ganz bewusst in den nächsten Wochen", sagt Tiergarten Direktor Dag Encke, "unsere Tierpfleger sollen ebenfalls genau darauf achten."


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So könne man dem Schlechten — der Coronakrise — doch noch etwas Positives abgewinnen: eine kleine Feldstudie über das tierische Verhalten in dieser außergewöhnlichen Situation. Ihm ist aufgefallen, dass Fluchttiere jetzt deutlich sensibler reagieren.

Fast ein wenig alarmiert

Zwar ist es den Przewalski-Pferden vollkommen gleichgültig, wenn ihre Pfleger das Gehege betreten — die vertrauten Personen gehören zu ihrem Tagesablauf dazu. Aber wenn Encke selbst, den die Urwildpferde nicht täglich vor den Nüstern haben, am Zaun stehen bleibt, dann reagieren sie jetzt sehr aufmerksam, fast ein wenig alarmiert: Der Hengst stellt sich schützend vor seine Gruppe, die im Hintergrund vorsichtig abwartet.

Luchs reagierte sehr misstrauisch

Ein ähnliches Verhalten registriert der Biologe bei den Nilgau-Antilopen: Sie mustern Encke genau, während sie bei ihren Pflegern mit keiner Wimper zucken. Auch der neue Luchs habe ihn vor wenigen Tagen "sehr, sehr misstrauisch" wahrgenommen, fährt er weiter fort.Die Raubkatze hat zwar viele Verstecke in ihrem weitläufigen Gehege und kann sich dorthin zurückziehen. Doch sie hat schließlich den Platz neben ihrem Artgenossen eingenommen, der schon länger am Schmausenbuck lebt — und dort dann entspannter gewirkt.

Der größeren Katze nebenan, der Löwin, ist dagegen überhaupt keine Verkrampfung anzumerken. Sie lag dösend mit geschlossenen Augen an ihrem Lieblingsplatz — auf dem gefällten Baumstamm — und würdigte ihn keines Blickes. Zwei Tage später fotografierte der Direktor die Raubkatze exakt an der gleichen Stelle (mit derselben Mimik), so als habe sie sich in dieser Zeit überhaupt keinen Millimeter bewegt.

"Es ist etwas spooky"

Sehr ruhig ist es in dem 65 Hektar großen Tiergarten — bis auf gelegentliches Seehundbellen, Vogelrufe oder einem kräftigen Brüller des Löwen. Die verlassenen Wege, die Stille, die Einsamkeit — dies trägt zu einer etwas seltsamen Stimmung bei: "Das alles ist schon etwas spooky", meint der Zoo-Chef.

Seine 66 Mitarbeiterinnern und Mitarbeiter wurden auf die Hälfte reduziert — eine Gruppe arbeitet wie gewohnt in den Gehegen, die andere bleibt als Notbesatzung zuhause. Beide Gruppen sollen sich auch nicht persönlich begegnen, um eine mögliche Ansteckung mit dem Coronavirus zu vermeiden.

Wie sieht es mit dem Futter für die Zootiere aus, gibt es Schwierigkeiten beim Nachschub? Beim Fisch für Seehunde, Eisbären, Vögel und Delfine habe man „schon etwas gebunkert“, räumt Encke ein. Die Meerestiere kommen aus Holland — und wie lange die Grenze dort offen bleibt, sei ungewiss. Länder wie Italien oder Dänemark haben ihre Grenzen schon dicht gemacht, aber der Warenverkehr läuft weiter. Die bange Frage ist nur: Wie lange noch?

Unabhängig davon herrscht kein Mangel in der Vorratstruhe am Tiergarten. Heu und Gemüse gibt es genug. Das landwirtschaftliche Gut Mittelbüg, das zum Tiergarten gehört, hat vieles auf Vorrat und auch der Großmarkt arbeitet weiter.



Enckes Kollege vom Zoo Basel meint, die Tiere würden dort durchaus registrieren, dass keine Menschen zugegen sind. Sie suchten sich andere Liegeplätze aus als sonst, weil sie sich jetzt weniger gestört fühlen und mehr Ruhe haben, meint er.

Tierrechtler fordern daher den Schweizer Zoo auf, die Anlage nach dem Ende der Corona-Krise einmal pro Woche besucherfrei zu halten. Die Zootiere sollten diesen Erholungstag genießen können, wenn ihre Gehege schon so klein sind und sie nur wenig Möglichkeiten zum Verstecken haben.

"Blödsinn, das machen wir nicht"

Bisher hat der Zoo Basel an 365 Tagen geöffnet — wie der Nürnberger Tiergarten auch. Was hält Dag Encke von diesem Vorschlag? "Blödsinn, das machen wir nicht", meint der Befragte, "unsere Tiere sind nicht von den Besuchern gestresst, also brauchen sie den 'Erholungstag' nicht."

Er wartet nun gespannt auf die Beobachtungen seiner Tierpflegerinnen und -pfleger. Wie ändert sich jetzt das gewohnte Muster der Zootiere, dass Menschen an den Gehegen vorbeilaufen, fragt der Wissenschaftler.