Neuer Wisent-Zuchtbulle für den Tiergarten

17.12.2020, 19:33 Uhr

Wisente leben in Herden von zwölf bis 20 Tieren. Hier ist eine Aufnahme aus dem Tierpark in Gera zu sehen. © Jan-Peter Kasper

Schon seit Monaten plante der Tiergarten gemeinsam mit sieben weiteren Zoos aus Deutschland, Polen und Spanien einen umfangreichen innereuropäischen Transport von Wisenten. Nach zahlreichen coronabedingten Änderungen konnte dieser nun endlich durchgeführt werden, wie die Stadt Nürnberg via Pressemitteilung wissen ließ. In den Tiergarten Nürnberg kam auf Empfehlung des Erhaltungszuchtprogramms des Europäischen Zooverbands (EEP) demnach ein neuer Zuchtbulle aus dem Zoo Danzig. Mit demselben Transport wurden zwei im Jahr 2018 in Nürnberg geborene junge Wisent-Bullen nach Spanien abgegeben. Einer von ihnen ging als neuer Zuchtbulle in den Zoo Cabárceno, der andere an ein Beweidungsprojekt in Segovia, aus dem zukünftig ein Auswilderungsprojekt hervorgehen soll.

Vermeidung von Inzucht

Zwei kämpfende Wisente im Nürnberger Tiergarten. © Helmut Mägdefrau

Um Inzucht zu vermeiden, wurde der bisherige, über zehn Jahre alte Zuchtbulle im Tiergarten Nürnberg zuvor per Kugelschuss getötet und an die Raubtiere im Tiergarten verfüttert. Anlässlich der Debatte um die Zukunft des Asiatischen Löwen Subali ist zuletzt eine heftige Debatte um die Tötung von Zootieren entbrannt; bei vielen Arten, die in der Anlage am Schmausenbuck leben, ist es aber durchaus üblich, dass immer wieder einzelne Vertreter im Rahmen des Populationsmanagements geopfert werden. Das Fleisch des getöteten Tieres ging an die Schneeleoparden, Asiatischen Löwen und Bartgeier.

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Transport erwachsener Bullen schwierig

Die Fruchtbarkeit bei männlichen Wisenten lässt ab dem Alter von ungefähr zwölf Jahren stark nach. Darüber hinaus ist der Transport erwachsener, geschlechtsreifer Bullen aufgrund ihrer Größe und Kraft sehr aufwändig. Der bisherige Zuchtbulle war der Vater der beiden zuletzt geborenen Weibchen. Die Erstgeborene hat jetzt die Geschlechtsreife erreicht. Derzeit baut der Tiergarten eine neue Zuchtgruppe bei den Wisenten auf. Die Gruppe basiert auf der sogenannten Mutterlinie, das heißt, die weiblichen Kälber bleiben bei ihrer Mutter und eventuell Großmutter, wodurch eine gewachsene und gefestigte Herde entsteht. Dies entspricht natürlichen Strukturen. Denn insbesondere bei in Gruppen lebenden Huftieren bleiben die weiblichen Jungtiere bei ihrer Mutter, während männliche Jungtiere mit Einsetzen der Geschlechtsreife die Gruppe verlassen.

Wisent-Bestand hat sich stabilisiert

Bei den früher vom Aussterben bedrohten Wisenten gibt es gute Nachrichten: Wurde die Rinder 1965 laut Weltnaturschutzunion (IUCN) noch als „sehr selten“ eingestuft, galten sie im Jahr 2000 als „stark gefährdet“ und seit 2008 nur noch als „gefährdet“. Jüngst wurden Wisente gar auf „potenziell gefährdet“ herabgestuft. Dies bedeutet, dass das größte Landsäugetier Europas seit diesem Jahr nicht mehr zu den direkt vom Aussterben bedrohten Arten gehört. Dies, schreibt die Stadt Nürnberg in ihrer Pressemitteilung zum Wisent-Transport, sei ein "großartiger Erfolg für den internationalen Artenschutz und ein eindeutiger Beweis dafür, dass Zoos durch ihre Erhaltungszucht einen wichtigen Beitrag zum Artenschutz leisten können". 2006 wurde die Anzahl wilder, geschlechtsreifer Wisente auf 1000 Tiere geschätzt, heute sind es rund 2500 Tiere.

Schon 1923 begann die Rettung der Art

Dass es überhaupt noch und wieder wilde Wisente in Europa gibt, ist laut Pressemitteilung der Weitsicht und der Leidenschaft einiger Tierhalter vor fast 100 Jahren zu verdanken. Mit dem Erlöschen der letzten wilden Wisent-Vorkommen 1919 in Polen und 1927 im Kaukasus war der Wisent in der Natur ausgestorben. Jedoch wurde bereits 1923 mit der koordinierten Erhaltungszucht dieser Tierart begonnen, hierbei handelte es sich um einen Vorläufer der heutigen EEPs. Eine auf nur zwölf Gründertiere zurückgehende Gruppe von 54 Tieren überlebte in menschlicher Obhut. Daraus wurde im Laufe der Zeit eine stabile Population aufgebaut. Daraus wilderte man Tiere aus. Ursprünglich waren Wisente über ganz Eurasien verbreitet, so auch in Spanien, Polen und Deutschland.

Zu großer Bestand ist gefährlich

Die größten Vorkommen gibt es derzeit in Polen und Belarus, wo Wisente auch wieder nachhaltig bejagt werden. Die IUCN empfiehlt explizit die Regulierung von Wisent-Populationen in Auswilderungsgebieten durch Abschuss und damit Jagd, wenn die Tragfähigkeit des Lebensraums erreicht ist. Denn ein weiter ansteigender Bestand würde die Lebensgrundlage der Wisente selbst sowie anderer Arten gefährden. Die Regulation von Wildtierbeständen stellt bei Arten, die oft zu Konflikten mit dem Menschen führen, ein unverzichtbares Mittel für deren Erhalt dar. So wird es beispielsweise auch mit dem Biber in Bayern gehandhabt, für den Umgang mit dem Wolf gibt es entsprechende Forderungen.