Nürnberger Experten kritisieren die Mietpreisbremse

17.3.2016, 06:00 Uhr

Die Mietpreisbremse klingt einfach, ist in der Praxis aber nur schwer durchzusetzen. © Andreas Gebert/Archiv (dpa)

"Wir haben die Mietpreisbremse lange gefordert", sagt Gunther Geiler vom Mieterbund Nürnberg, "und dann kam sie mit vielen Ausnahmen, die uns nicht gefallen." Noch deutlicher wird Michael Zwarg, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht: "Das Gesetz ist rechtlich nicht so einfach zu handhaben", sagt der Jurist, der zu dem Thema auch Fortbildungen für Kollegen anbietet.

Das "Gesetz zur Dämpfung des Mietanstiegs auf angespannten Wohnungsmärkten" soll den Anstieg der Mieten in heiß begehrten Vierteln deckeln: Die "Mietpreisbremse" gilt nicht nur in Großstädten wie München, Hamburg oder Berlin, sondern auch in Nürnberg, Fürth und Erlangen und in Dutzenden kleineren Gemeinden Bayerns und anderen Bundesländern. Überall dort dürfen neu verhandelte Kaltmieten künftig höchstens zehn Prozent über Mieten für vergleichbare Objekte im Umfeld liegen. Die Länder können also, begrenzt auf fünf Jahre, Rechtsverordnungen erlassen, mit denen ein Gebiet als „angespannter Wohnungsmarkt“ ausgewiesen wird.

Viele Ausnahmen und Unklarheiten

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Das klingt ganz einfach. So schwer kann es doch für den Vermieter nicht sein, dem Mieter auf den Cent genau vorzurechnen, wie er auf die Miete kommt. Von wegen. Die erste Ausnahme: Lag die Miete, die der bisherige Mieter zahlte, höher als die zulässige Miete von 110 Prozent des Ortsüblichen, darf vom neuen Mieter die bisher bezahlte höhere Miete verlangt werden. Ausnahme zwei: Wohnungen, die neu gebaut und erstmals nach dem 1. Oktober 2014 genutzt und vermietet wurden (vorherige Selbstnutzung zählt bereits), sind von der Mietpreisbremse ausgenommen.

Ausnahme drei: Der Vermieter hat die Wohnung umfassend modernisiert und vermietet diese erstmalig. Das Gesetz sieht vor, dass Vermieter elf Prozent dieser Kosten pro Jahr auf die Kaltmiete draufschlagen dürfen – Renovierungen oder Maßnahmen, um eine Wohnung nur instand zu halten, sind nicht gemeint. Und wie ist das Wörtchen "umfassend" zu deuten? Als umfassend modernisiert zählt, wenn die Wohnung nicht nur verbessert wird, sondern mindestens ein Drittel an Aufwand investiert wurde, der für eine vergleichbare Neubauwohnung hätte aufgewendet werden müssen.

Es sind nicht nur die Ausnahmen, die das Gesetz vorsieht, die Praktiker irritieren. Bereits die Basis, auf welcher Statistik die Bundesländer eigentlich ihre Rechtsverordnungen erlassen und ein Gebiet als "angespannten Wohnungsmarkt" ausweisen können, sei ihm unbekannt, stellt Rechtsanwalt Zwarg fest. Und was die örtliche Vergleichsmiete überhaupt sein soll, ist auch dem örtlichen Mietspiegel nicht einfach zu entnehmen. Die Städte und Gemeinden sind nicht verpflichtet, einen Mietpreisspiegel aufzustellen. Es gibt ihn auch nicht in jeder Kommune. Dazu kommt: Vermieter sind nicht einmal verpflichtet, sich an den Umfragen zu beteiligen.

Berechnung des Mietspiegels undurchsichtig

Ohnehin kann es gar keinen Mietspiegel geben, der auf den Cent genau für jede Wohnung eine Vergleichsmiete ausweist. In Nürnberg etwa wird im Mietpreisspiegel nach Baujahr, Verkehrsanbindung oder ruhiger Wohnlage unterschieden – nicht aber nach Stadtvierteln. Aus Sicht von Gunther Geiler, Jurist und Geschäftsführer des Deutschen Mieterbundes Nürnberg und Umgebung, wäre es auch nicht möglich, über den Mietspiegel nachzuweisen, dass bestimmte Stadtviertel teurer und andere günstiger sind. Es könnte nämlich auch sein, dass sich in nobleren Gegenden ein höherer Mietpreis nicht durch die Lage, sondern durch die bessere Ausstattung der Wohnung ergibt.

Dank des neuen Gesetzes, so sagt Geiler, dürften Mieter erstmals auch den Mietzins des Vormieters erfragen – dies könnte Orientierung bieten. Der Haken: Ist der Mieter überzeugt, zu viel zu zahlen – vorausgesetzt, er riskiert es, die Beziehung zum Vermieter zu belasten –, muss er dies schriftlich mitteilen. Das Gesetz verlangt eine schriftliche, "qualifizierte Rüge". Auch dies bewerkstelligt nicht jeder Mieter ohne Fachanwalt. Und: Wie viel gezahlte Miete der Mieter zurückbekommen könnte, lässt sich nur erahnen – auch hier ist im Streitfall wieder ein aufwendiges Gutachten erforderlich. Rückwirkend besteht der Rückforderungsanspruch übrigens nicht, sondern nur für die Miete, die nach dem Zugang der Rüge an den Vermieter fällig geworden ist. Seit Inkrafttreten der Mietpreisbremse ist übrigens noch keine einzige Klage beim Amtsgericht Nürnberg und beim Landgericht Nürnberg-Fürth eingegangen.

Klage gegen die Mietpreisbremse

"Bremsversagen in Bayern" stellt der Eigentümerverband "Haus und Grund" fest. Der Verband hält die Mietpreisbremse-Verordnung für nichtig und Haus & Grund München hat bereits Klage eingereicht, der Nürnberger Verband unterstützt dies. Ähnliche Klagen werden bereits von Haus & Grund Schleswig-Holstein geführt, Unterstützung kommt vom Zentralverband. Der Hintergrund: Der Verband hat die Gesetzesbegründung überprüft und hält die Verordnung aufgrund ihrer unzureichenden Begründung formal für nichtig. Dabei stützt sich Haus & Grund auch auf Beiträge mehrere namhafter Juristen, unter ihnen auch Mitglieder des Vorstands des Mietgerichtstages.

Verkürzt formuliert: Wenn das Bundesgesetz schon aus formalen Gründen verfassungswidrig ist, dann sind es auch die Landesverordnungen. Die Begrenzung wurde nicht flächendeckend im gesamten Bundesgebiet eingeführt, sondern nur in "angespannten Wohnungsmärkten". Aber ab wann gilt ein Wohnungsmarkt als angespannt?

Viele offene Fragen

Nach den Vorgaben des Bundesgesetzgebers müssten die konkreten Kriterien, wann eine bestimmte Gemeinde in die Gebietskulisse aufgenommen worden ist, nachvollziehbar sein, etwa durch Fragen wie diese: Steigen die Mieten deutlich stärker als im bundesweiten Durchschnitt? Besteht geringer Leerstand bei großer Nachfrage oder wächst die Wohnbevölkerung, ohne dass der erforderliche Wohnraum durch Neubau geschaffen wird? Dem Bürger müsse nachvollziehbar sein, aufgrund welcher Kriterien seine Gemeinde in die Gebietskulisse aufgenommen worden ist.

Doch die Verordnung lasse offen, ob etwa in einer Gemeinde ein überdurchschnittlicher Mietanstieg maßgeblich war, oder der Gemeinderat den Ort nur in die Gebietskulisse aufgenommen wissen wollte, um bei ansässigen Mietern zu punkten. Das Fazit ist vernichtend: Die fehlende Nachvollziehbarkeit widerspreche dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Begründungspflicht.