WAS BLEIBT? – Müll, das eigentlich Unvergängliche

19.7.2018, 06:17 Uhr

Als ich  angefragt wurde, ob ich mit SchülerInnen der Franconian International School FIS Erlangen ein künstlerisches Projekt zum Thema "WAS BLEIBT?" realisieren könnte, habe ich nicht lange gezögert.  Nicht nur, weil ich gerne Projekte mit Jugendlichen mache, auch das Thema hat mich gereizt: "WAS BLEIBT?". Dazu kam mir sofort eine Antwort in den Sinn: Nichts. Und zu Nichts fällt mir vieles ein als Gründer des "noch-nicht-Institutes" (www.nn-institut.de).  Nichts ist ergiebiger als Nichts, sei es im Sinne des "nicht mehr" oder im Sinne des "noch nicht", wie wir von  Ernst Bloch lernen konnten.  Das Nicht-Seiende als Vergangenes oder Zukünftig-Potentielles ist folglich auch das zentrale Anliegen der Kunst - sei es als Erinnernd-Bewahrendes oder als Vorahnend-Utopisches. Kunst beschäftigt sich mit dem Ephemeren, mit dem also, was immer im Aufgang, Vorübergang und Untergang ist, kurz gesagt: mit dem Leben.

Wenn wir uns jedoch diesem Vorübergehenden entziehen und das Vergängliche festhalten wollen, entsteht etwas, das sich den Kreisläufen des Lebendigen entzieht. Es entsteht Müll.  Müll ist das eigentlich Unvergängliche, das WAS BLEIBT, wenn sich etwas seiner Vergänglichkeit, seiner Vernichtung entziehen will.  Die geistige Ursache der zunehmenden Vermüllung der Welt ist die Angst vor der Vergänglichkeit des Lebendigen und daher hat die moderne Material-Wissenschaft viele Materialien hervorgebracht, die sich der Vergänglichkeit entziehen. Während die Natur sich durch Wachstum und Vergehen, durch Werden und Sterben definiert, wollen wir unsterblich werden, alles festhalten und nichts der Erde zurückgeben. Wir glauben an unendliches Wirtschafts-Wachstum, getrieben von der permanenten Kapital-Akkumulation und begreifen immer noch nicht, dass dieser Denkansatz tatsächlich tödlich ist - tödlich für die Ressourcen, das Klima, die Meere,  die Artenvielfalt usw. Unendliches Wachstum in einer endlichen Welt ist ein Widerspruch in sich. Den SchülerInnen der FIS wurde dieser Zusammenhang anschaulich klar, als wir uns im Internet einen kleinen Comic-Film angesehen haben mit dem Titel  "der unmögliche Hamster", (https://www.youtube.com/watch?v=vxi6iyM0bgs) Darin wird auf anschauliche Weise verdeutlicht, dass ein Hamster, der in den ersten Lebenswochen sein Gewicht  regelmäßig verdoppelt bis zu seinem ersten Geburtstag neun Milliarden Tonnen wiegen würde, wenn sich sein Wachstum nicht  verlangsamen würde und schließlich zum Stillstand kommt.

Natürlich finden die Kinder das lustig, weniger lustig finden sie aber die Tatsache, dass Wirtschaftsfachleute und Politiker nach wie vor überzeugt sind, dass es Wirtschaft ohne permanentes Wachstum nicht geben kann. Und auch unser Ressourcenverbrauch kann sich nicht permanent so weiter steigern wie in den letzten Jahrzehnten. Die SchülerInnen waren ziemlich erstaunt, als sie auf dem "Ressourcen-Rechner" im Internet ihren  ökologischen Fußabdruck errechneten und dabei feststellten, dass sie zwischen drei und sechs Planeten für ihren individuellen Lebensstil benötigen. Hätten Sie gewusst, wie viele Planeten sie für sich beanspruchen und dass wir Mitteleuropäer durchschnittlich die Ressourcen der dreifachen Kapazität unserer Erde benötigen, US-Amerikaner sogar das Fünffache?  Die weniger entwickelten Länder gleichen diesen Wahnsinn zwar etwas aus, indem sie derzeit noch etwas weniger als die Ressourcen eines Planeten verbrauchen, aber wie lange noch? Das bedeutet konkret, wenn wir allen Menschen auf diesem Planeten denselben Lebensstandard zugestehen würden, den wir uns genehmigen, bräuchten wir bald über 4 Planeten! Oder anders gesagt: wir müssen unseren mitteleuropäischen Lebensstil soweit verändern, dass wir mit einem Drittel der Ressourcen wirtschaften, die wir derzeit verbrauchen.  Man braucht schon eine gehörige Portion Phantasie dazu, sich das vorzustellen.

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Zum Glück hat das Umdenken schon begonnen, seit einigen Jahren werden unter dem Stichwort "Degrowth" Optionen für eine Post-Wachstums-Ökonomie diskutiert, bekanntester Vertreter dieser  Denkrichtung im deutschsprachigen Raum ist Niko Paech und seit 2008 finden alle zwei Jahre an verschiedenen Orten "Degrowth -Konferenzen" statt, 2018 in Mexiko-Stadt. Das macht Hoffnung, aber Konferenzen machen nur Sinn, wenn das dabei Erörterte auch in den Köpfen der Menschen ankommt. Und das war dann auch der Inhalt unseres Kunst-Projektes mit den SchülerInnen der FIS Erlangen: Wir sorgen dafür, dass sich mehr Menschen mit diesen Fragen auseinander setzen.  Der Weg dazu hat Strategien der aktuellen Kunst genutzt, die den öffentlichen Raum interventionistisch nutzen: Kleine Figuren im öffentlichen Raum verwiesen über einen QR-Code auf die Internetseite des Projektes (https://sites.google.com/the-fis.de/figuresfromthefuture/english) und  machen dort Überlegungen der SchülerInnen zu diesen Problemfeldern zugänglich, nächtliche Projektionen in der Innenstadt zeigten Slogans der SchülerInnen, die zum Nachdenken anregten, Upycling-Objekte aus Abfallmaterialien wurden  angefertigt und  am Ende des Projektes in einem "shabby-shop" präsentiert, u.a. im Museum der Moderne in Salzburg.  Die Gespräche, die dabei mit interessierten Passanten und Publikum von den Schülerinnen sehr engagiert und informiert geführt wurden, haben mir vor Augen geführt, dass  ökologisches Bewusstsein erlernbar ist und verbreitet werden kann. Damit nichts so bleibt, wie es jetzt ist.