6. Auflage der "Pyraser Classic Rock Night"

10.8.2014, 21:17 Uhr

Die Musik ist in Pyras nicht nur Hintergrundbeschallung, sondern noch immer die Hauptsache. © Günter Distler

Ach, das sei richtig nett da, gibt uns ein Kollege mit auf den Weg: Betreutes Trinken für Menschen über 50, die mit ihren Wohnmobilen anreisen und einen Tag lang im Biergarten sauber abrocken. Dieses Jahr ist es dort so voll wie noch nie: 3.500 Besucher tummeln sich im Innenhof der Brauerei, von denen manch einer stolz ein altes Konzertshirt aus den 80er Jahren trägt.
Tatsächlich steckt hinter der „Pyraser Classic Rock Night“ ein klares Konzept. Die Brauerei hatte Platz und die nötige Infrastruktur und wollte etwas machen, erzählt Guido Glöckler vom Concertbüro Franken.

Also schneiderte der Nürnberger Konzertveranstalter dem Gerstensaftbrauer ein schickes Ein-Tages-Festival auf den Leib, mit dem Schwerpunkt auf Classic Rock: Auf Rockhelden der alten Schule wettergegerbt und gut abgehangen. Und mit Synergieeffekt: weil Bier und Stromgitarren eben gut zusammengehen. „In einer Brauerei herrscht wenigstens kein Mangel an Nachschub“, bringt es Biff Byford, Sänger der britischen Heavy Metal-Kapelle Saxon und Hobbyphilosoph, später auf den Punkt

Die Musik ist in Pyras aber nicht nur Hintergrundbeschallung, sondern noch immer die Hauptsache. Die Bühne steht in einer geräumigen, seitlich offenen Scheune, die schon zum Auftakt bei den Ingolstädter Hardrockern Bonfire vollbesetzt ist. Wer einen guten Platz ergattern möchte, ist gut beraten, sich rechtzeitig einfinden. Für alle anderen wird die Show per Leinwand in den Biergarten übertragen.

Werbung
Werbung

Das Programm befeuert die große Erinnerungsmaschine.
Etwa mit dem ehemaligen Scorpions- und UFO-Gitarristen Michael Schenker und seiner neuen Formation Temple of Rock, zu der sich mit Herman „Ze German“ Rarebell und Francis Buchholz zwei weitere Ex-Mitglieder der Scorpions gesellt haben. Deren Show ist reichlich hausbacken, doch entlockt der blonde Musiker, dessen Karriere es nicht an Turbulenzen mangelte, seiner Flying V-Gitarre ein paar wirklich schöne Soli, die daran erinnern, warum der Hannoveraner einst als Wunderkind gehandelt wurde.
Direkt der Zeitmaschine entsteigen im Anschluss Saxon.

Ende der 70er Jahre im Zuge der New Wave of British Heavy Metal zeitgleich mit Iron Maiden gestartet, sind Biff Byford und seine Mannschaft nie so groß wie die Kollegen geworden, spielen dafür aber ihre alten Nummern noch immer mit dem selben rotzigen Biss – was einmal mehr beeindruckend ist. Mit Evergreens wie „Denim & Leather”, „Heavy Metal Thunder”, „Crusader”, „Princess Of The Night” und dem flotten Christopher Cross- Cover „Ride Like The Wind“ brennt auch im 38. Bandjahr nichts an. Der Sachse liefert ab, und Pyras feiert die Briten wie den verlorenen Sohn.

Alte Helden

Warum es die alten Helden manchmal tatsächlich noch immer drauf haben, darüber wird hinterher im Biergarten trefflich diskutiert. Über „weißt Du noch damals“ und über die Frage, wie lange diese ganze Classic Rock-Kiste noch läuft und was danach kommt. Ein Ende ist derzeit nicht in Sicht: Plakate an den Zäunen werben für anstehende Konzerte von Foreigner und Uriah Heep, Anvil, Rage, Y&T, Nazareth, Mother’s Finest und wie sie alle heißen. Die Nummer scheint nicht totzukriegen, eine innere Stimme sagt uns, dass die Düsseldorfer Hardrock-Queen Doro Pesch auch in zehn Jahren noch sexy in Leder von irgendwelchen Wänden lächeln wird …

Alles andere fällt unter die Rubrik „tiefenentspannt“. Pfand? Ach was, stellt die leeren Gläser einfach zurück in die Kästen. Plastikbecher? Hau mir ab, so schmeckt doch kein Bier! Anstellen? Warum nicht gleich selbst zapfen, aus dem Zehn-Liter-Fass, das an den Tisch geliefert wird. Friedliche Fans und freundliche Sicherheitskräfte, kostenloses Parken und Campen vorm Haus, ein Shuttlebus zum Bahnhof – irgendwie wird in Pyras alles richtig gemacht. Leid tun einem an diesem lauschigen Nachmittag nur die Kinder, die von Papa und Mama oder Oma und Opa hierher verschleppt wurden: damit sie mal sehen, wie echter Rock geht. Weil das, was sie einem heute als solchen verkaufen, gar nicht geht…