Rother Bluestage: Klein und leise kann Uriah Heep einfach nicht

8.4.2014, 09:28 Uhr

Die unverwüstliche „Lady in Black“ war natürlich auch zu hören beim begeisternden Aufritt von „Uriah Heep“ in der ausverkauften Kulturfabrik, doch eigentlich ist dieser Hit eher untypisch für den vielschichtigen Stil der britischen Kultband. © Hans von Draminski

Den alten Herren macht es Spaß. Wer Sänger Bernie Shaw, Keyboarder Phil Lanzon, Schlagzeuger Russell Gilbrook und das letzte verbliebene „Uriah Heep“- Gründungsmitglied Mick Box an der Leadgitarre erlebt, dem wird schnell klar, dass harter Rock keine Altersgrenze kennt. Und dass sich der im vergangenen Jahr für den verstorbenen Bassisten Trevor Bolder hinzu gekommene Davey Rimmer glücklich schätzen kann, mit solchen Urgesteinen auf Tour gehen zu dürfen.

Denn im Gegensatz zu anderen „Wiedergängern“ des Rock’n’Roll langweilt „Uriah Heep“ keine Sekunde lang, begeistert in der ausverkauften Kulturfabrik auch jüngere Hörerschichten, die von der Band maximal den Dauerbrenner und Ohrwurm-Hit „Lady in Black“ kennen. Der, als letzte Nummer vor den Zugaben gespielt, wird erwartungsgemäß zur Mitgröl-Hymne, deren sattsam bekannter „Ahaha“- Refrain von vielen Hundert Kehlen im gestopft vollen Saal angestimmt wird.

„Uriah Heep“ kurzerhand auf diese sattsam bekannte Bierzelt-Nummer zu reduzieren, täte der Band freilich bitter Unrecht. Denn eigentlich ist die so unverwüstliche „Dame in Schwarz“ eher untypisch für den Stil der Band, der sich über eine schwer überschaubare Vielzahl von Umbesetzungen erhalten hat. Das Zauberwort war in den großen Jahren der Gruppe „Progressive Rock“: Unter dieses Label wurden in den 1970er Jahren verschiedene Strömungen subsumiert, welche die Genres miteinander verschmolzen, Grenzgänge zum Credo erhoben und dabei eine sehr energische Gangart verfolgten.

So kommt der einzigartige „Uriah Heep“-Sound zustande, eine Mischung aus brachialen Gitarrenriffs, die Mick Box immer noch mit schier unglaublicher Lässigkeit zu servieren versteht, wabernder Hammondorgel-Grundierung, die man so eher im Artrock verorten würde und aggressivem Leadgesang mit Wiedererkennungswert.

Das hat mitreißende Kraft, sprüht vor explosiver Live-Energie und geht unmittelbar in Bauch und Beine – Mitklatschen, Mitwippen, Mittanzen und Mitspringen ausdrücklich empfohlen.

Ballade mit Bombast

„Uriah Heep“ steht allerdings auch für Gänsehaut-Balladen wie den unwiderstehlichen „July Morning“, der beim Rother Auftritt freilich ganz schnell zur Stadionhymne mit Bombasteffekt mutiert: Wirklich „klein“ und leise können die fünf von „Uriah Heep“ wohl gar nicht. Da holen sie zur Zugabe lieber ein paar Mädels und Jungs auf die Bühne, die mit ihren Spaß haben dürfen, mittendrin statt nur dabei sind. Und als Fans gehen, sofern sie es nicht schon längst waren.

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So enden die 23. Rother Bluestage so, wie sie begonnen haben – mit einer ausgelassenen Party, organisiert von ergrauten Rock-Senioren, die das Feiern noch nicht verlernt haben.