Stockacher Eiche wird zum Totholz-Biotop

5.3.2018, 06:00 Uhr

Wie alt die alte Eiche am Ende war? Das weiß keiner so genau. Nur so viel: Ihre Lebenserwartung lag noch bei "null Jahren", erklärt Andrea Thieme von der Unteren Naturschutzbehörde am Rother Landratsamt. Die Behörde wirft ein genaues Auge auf die fast 75 Naturdenkmäler, die aufgelistet sind. Jedes Jahr werden die Bäume oder Baumgruppen begutachtet. Bei der Kontrolle im Herbst 2015 sei dann festgestellt worden, "dass die Eiche in Stockach von einem Pilz befallen ist".

Ein Gutachten hat Gewissheit gebracht. Weil der Markt Allersberg die Gemeindeverbindungsstraße von Stockach nach Ebenried ausbauen wollte und dabei auch in den Wurzelbereich der Eiche eingreifen musste, hatte die Gemeinde ein Sachverständigenbüro damit beauftragt, zu prüfen, ob der Baum den Arbeiten überhaupt standhalten würde.

Im November 2015 hatten es Landratsamt, Marktgemeinde und Eigentümer dann schwarz auf weiß: Der fäulebedingte Abbau schreite (sehr) rasch voran, der Baum habe daher "keine Zukunftschancen", heißt es in der Expertise des Gutachters. Die Reststandzeit wurde auf bereits erwähnte "null Jahre" beziffert und als einzige Maßnahme die "Fällung" empfohlen, und zwar "ohne Verzug". Man könnte zwar noch mal einen sogenannten Sicherungsschnitt vornehmen, allerdings käme der einer Kappung der Krone gleich und würde dem Baum noch weitere fünf bis acht Jahre bescheren. Mehr aber auch nicht.

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Verkehrssicherheit garantieren

Die Naturdenkmäler im Landkreis stehen generell unter der Obhut des Landkreises, auch diejenigen, die wie die Eiche bei Stockach auf privatem Grund stehen. Das heißt: Der Landkreis muss die Verkehrssicherheit garantieren. Und wenn, wie in einem Fall wie diesem, die Standsicherheit nicht mehr gegeben ist, "dann geht die Sicherheit der Bevölkerung einfach vor", versichert Andrea Thieme.

Daher ging schließlich alles sehr schnell. Zwar wurde der Baum tatsächlich noch einmal beschnitten, dennoch erteilte das Landratsamt bereits im Dezember 2015 die Rodungserlaubnis, im Januar 2016 lag auch die artenschutzrechtliche Erlaubnis der Regierung von Mittelfranken vor. Und weil man ein Naturdenkmal nicht fällen darf, war die Eiche zu diesem Zeitpunkt auch bereits pro Forma aus der Liste gestrichen worden. Wenn der Baum nicht so nah an der Straße gestanden hätte, "hätten wir vielleicht nicht so schnell gehandelt", gibt Andrea Thieme zu.

"Ein alter Baum kann Lebensraum für bis zu 1500 verschiedene Tierarten bieten — ein wahrer Hotspot." So steht es auf der Homepage des Landschaftspflegeverbandes Mittelfranken. Doch die Bäume, auch das steht auf der Homepage, seien bedroht durch eine immer intensivere Nutzung von Wald und Flur. Im Jahr 2016 wurde daher das sogenannte Alteichen-Projekt ins Leben gerufen. Es ist Teil der Biodiversitätsstrategie des Landes Bayern und hat das Ziel, alte Eichen als Lebensraum für geschützte Arten zu erhalten.

140 Standorte von alten Bäumen oder Baumgruppen wurden zu Projektbeginn erfasst, auch die Stockacher Eiche wurde seinerzeit gemeldet und in die Liste aufgenommen. Dennoch war der Landschaftspflegeverband in die Entscheidung, ob gerodet werden darf, nicht mit eingebunden. "Die Entscheidung war ja schon gefallen, bevor unser Alteichenprojekt gestartet ist", begründet Nicole Menzel dies. Das werde bei zukünftigen Entscheidungen ganz sicher nicht mehr der Fall sein, so die Mitarbeiterin des Landschaftspflegeverbandes.

Landratsamt kontrolliert

Die einzige Möglichkeit, die jetzt noch bleibt: Wenn die Fällung nicht zu verhindern ist, "dann sollte man wenigsten den Baum liegen lassen und damit den Tieren noch eine Weile den Lebensraum erhalten", sagt Nicole Menzel. Genau das steht auch in den Auflagen drin, die parallel zur Rodungserlaubnis gestellt wurden, "und das werden wir auch überprüfen", versichert Andrea Thieme vom Landratsamt.

Für dem Baum und seine Verkehrssicherheit sind inzwischen alleine die Eigentümer zuständig. Und sie haben die Eiche Anfang Februar schließlich fällen lassen. Auf Nachfrage unserer Zeitung hat das Ehepaar aber zugesichert: Der Stamm — der innen bereits hohl ist — bleibt samt Ästen nun neben der Straße liegen. Als Totholz-Biotop und Lebensraum für Tiere. Große Triebe sind eh nicht mehr vorhanden.

Aber sollte aus dem Baumstumpf vielleicht doch wieder etwas austreiben, dann, verspricht das Landratsamt, "versuchen wir natürlich, den Ableger zu erhalten".