Eckstein liest Leviten: "Wir brauchen neue Köpfe"

15.2.2018, 15:00 Uhr

Eigentlich wollte Horst Weckerlein nur kurz begrüßen und Herbert Eckstein als Hauptredner ankündigen. Aber dann spürt man, wie es in ihm brodelt. "Ich bin ja auch Einrichtungsleiter eines Pflegezentrums", sagt der Chef des Hermann-Vogel-Hauses der Awo in Schwabach. Weckerlein ist alles andere als ein Polterer, aber die Enttäuschung über die Bundespolitik platzt aus ihm förmlich heraus.

"Die spinnen alle"

"Fünf Tage vor der Wahl merken sie, dass Pflege ein Problem ist", macht er seinem Ärger Luft. "Und jetzt im Koalitionsvertrag ist von 8000 neuen Mitarbeitern für 12 000 Heime die Rede." Weckerlein findet das unglaublich: "Es brennt vorne und hinten, und keinen interessiert’s." Und im Klartext fährt er fort: "Die spinnen alle. Weil die Banken so systemrelevant sind, hat man Milliarden reingesteckt. Ich würde gerne mal wissen, ob die Pflege nicht systemrelevant ist." Damit ist der Ton gesetzt.

Werbung
Werbung

Dennoch beginnt Herbert Eckstein erst einmal launig, witzelt über die Krawatte, die er zur Abwechslung trägt, kokettiert damit, dass er sie noch immer nicht selbst binden kann, und nimmt die Führungskrise der eigene Partei zunächst noch selbstironisch: "Wenn die SPD nicht für Schlagzeilen sorgen würde, dann würden alle ja nur über die Altneihauser Feuerwehr reden." Er kenne Norbert Neugirg ja gut, aber was der in Veitshöchheim über Macrons Ehefrau losgelassen hatte, das sei "einfach blöd" gewesen.

Stichelei gegen Söder

Es hätte die perfekte Überleitung zum Berliner Politdrama der vergangenen Tage sein können. Doch zunächst arbeitet sich Eckstein am Thema ab, das ihm SPD60plus-Chef Jürgen Runau gegeben hatte: "Neue Regierung und Kommunalpolitik."

Es ist ein Durchzieher von der Verkehrspolitik bis zur Digitalisierung, immer wieder gespickt mit kleinen Spitzen gegen die CSU und Söder. Eckstein amüsiert sich über dessen "zehntausend Schüttelbescheide" zum Thema Breitbandausbau und die schönen Fotos beim Händeschütteln mit Bürgermeistern. Dieser Nachholbedarf zeige vor allem eines: "Die hatten’s verpennt."

"So geht das nicht"

Das Thema, auf das alle warten, spart sich Eckstein für den Schluss auf. "Ich mach’ noch immer Politik, weil ich mich noch immer g’scheid ärgern kann", sagt er, und aus dem Landrat wird ein Levitenleser. "Mir hat Martin Schulz ja zunächst gefallen, weil er das Soziale angesprochen hat, das war richtig", beginnt er mit einem Lob, das das folgende Urteil nur noch härter macht: "Aber ich kann nicht zehntausend Mal sagen, dass ich nicht in Merkels Regierung will, und dann Außenminister werden. So geht das nicht." Aber auch für den Noch-Außenminister zeigt Eckstein nur noch wenig Respekt: "Wenn ich an Gabriel und den Spruch mit seiner Tochter denke, dann denke ich mir nur: Du armer Bub."

Nicht mehr erwartete Chance

Ecksteins klare Ansage lautet deshalb: "Wir brauchen neue Köpfe." Namen nennt er jedoch keine. Auch nicht den von Andrea Nahles. Sympathien zeigt er für Juso-Chef Kevin Kühnert: "Der gefällt mir der Kleine, der wirbelt und erinnert mich an meine eigene Kampfzeit." Doch dessen "No GroKo"-Kampagne unterstützt Eckstein nicht. Ganz im Gegenteil.

"Die Sondierung war Schrott, ganz dilettantisch verhandelt. Aber jetzt ist die Tür geöffnet", betont Eckstein. Der Koalitionsvertrag sei ein fast schon unglaublicher Erfolg: "Das ist eine Chance zur Gestaltung, die wir mit unserem Wahlergebnis eigentlich gar nicht mehr kriegen konnten. Und die wichtigen Ministerämter braucht man, um Politik auch umzusetzen."

"Aus der Seele gesprochen"

An der Basis kommt das an. "Mir hat er aus der Seele gesprochen", sagt die ehemalige Stadträtin Margit Kettner im Gespräch mit dem Tagblatt. "Ich werde für die GroKo stimmen."

"Ich nicht", sagt ihre Tischnachbarin, die Stadträtin Gerda Braun. "Aber ich denke, dass es bei der SPD in Schwabach letztlich doch eine Mehrheit für die GroKo geben wird."

Darauf setzt auch der ehemalige Bürgermeister Rudi Büttner: "In den Verhandlungen ist viel erreicht worden. Das müssen wir unseren Jungen erklären." Da vertraut er auf Andrea Nahles als künftige SPD-Chefin: "Die kann was und ist schwer auf Draht."

"Hinterzimmerentscheidung"

Davon klingt Sven Ehrhard, der Rother SPD-Kreisvorsitzende, nicht so überzeugt. Er ärgert sich über die "Hinterzimmerentscheidung" von Scholz und Nahles. "Ich bin für eine Urwahl der Parteiführung durch die Mitglieder", betont Ehrhard. Gabriel könne aus seiner Sicht durchaus Außenminister bleiben.

Also weiter mit der GroKo? "Ich schwanke noch", bekennt Sven Ehrhard. "Ich will auch niemandem etwas empfehlen. Nur eines: Selber den Koalitionsvertrag lesen."