Realschülerinnen setzten sich mit „Stolpersteinen“ auseinander

31.1.2015, 07:36 Uhr

Getragen wurde dieses Projekt durch die Initiative „Stolpersteine für Schwabach“, inhaltlich aber wurde es durch Schülerinnen und Schüler aus fünf Schulen vorbereitet.

Geschichte von Berta und Justin Gerstle

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Die Schülerinnen Emily Campbell, Celina Schreiber, Ina Koller, Jessica Lehner und Beatrice Kaiser aus der Klasse 9ac der Realschule setzten sich im Rahmen des Projekt-Unterrichts von Stefan Seitz, Corina Dolling und Karin Zumbühl mit Berta und Justin Gerstle auseinander und stellten ihre Forschungsergebnisse in Form einer umfangreichen Präsentation vor.

Im Mittelpunkt stand zunächst Berta Gerstle, geborene Rosenstein. Ihr Vater war der Kaufmann Moritz Rosenstein, der an der Südlichen Ringstraße 2 (dem heutigen Bekleidungshaus Käferlein) ein gut eingeführtes Bekleidungsgeschäft besaß (Die Geschichte des Modewarengeschäfts S. Rosenstein).

Wie in der „Tagesschau“

Im Format einer „Tagesschau“-Sendung gestalteten die Schülerinnen ihre Präsentation vor Mitschülern, Lehrkräften sowie Melanie Greiner von der „Initiative Stolpersteine für Schwabach“, Stadtheimatpflegerin Ursula Kaiser-Biburger und einigen Schülern der Wirtschaftsschule, die mit ihrer Lehrerin Pfarrerin Ulrike Zapf gekommen waren. Ihnen allen verdeutlichten sie den Lebensweg dieser beiden jüdischen Opfer, die ihre Heimat verlassen mussten.

Justin Gerstle kam ursprünglich aus Georgensgmünd, war einer der drei Söhne des Hopfenhändlers Gerstle, lebte und arbeitete aber in München. Am 15. Februar 1923 heiratete er Berta Rosenstein. Bald danach zog das Paar nach Schwabach, wo Berta mit den Eltern das schon vom Großvater gegründete Bekleidungshaus führte.

Solider Kaufmann

Vater Moritz Rosenstein war in der Schwabach Gesellschaft angesehen und galt als solider Kaufmann. Zudem war er zweiter Vorstand der kleinen jüdischen Gemeinde mit 43 Juden (bei einer Gesamteinwohnerzahl Schwabachs von 12.000). Er machte seinen Schwiegersohn zum Teilhaber des Geschäftes, das nun den Namen Rosenstein & Gerstle trug.

Allerdings zeigten sich bereits in den 1930er Jahren die Auswirkungen der antisemitischen Politik der NS-Schergen. Nachdem es bei den Rosensteins zu massiven Umsatzeinbrüchen kam, entschloss sich die Familie, das Geschäft zu verkaufen und nach München zu gehen. Damals war Moritz Rosenstein bereits 69 Jahre, aber Justin erst 42 Jahre. Die alten Rosensteins wohnten 1939 zunächst in einem israelitischen Altenheim, und Justin arbeitete noch in einem Bekleidungsgeschäft.

1940 starb Moritz Rosenstein. Seine Frau sowie Berta und Justin Gerstle mussten dann in München mehrere Male umziehen, bis sie schließlich 1942 für nur wenige Monate in einem Barackenlager in Milbertshofen landeten.

Schicksal ungeklärt

Die Ehe zwischen Berta und Justin blieb kinderlos. Bekannt war aber, dass Justin ein Verhältnis zu einer Nichtjüdin hatte, mit der er auch eine Tochter hatte. Berta wusste davon und hatte ein gutes Verhältnis zu den beiden, wie es Briefe erkennen lassen. Im April 1942 wurden die beiden Gerstles in das Ghetto Piaski in Polen deportiert. Was aus dem inzwischen 50-jährigen Justin und seiner 44-jährigen Frau Berta wurde, ist unbekannt.

Da die dortigen Verhältnisse mehr als unmenschlich waren, kann nicht gesagt werden, ob die beiden dort gestorben, verhungert oder erschossen wurden oder noch in ein weiteres Lager deportiert wurden. Beeindruckend und bewegend aber war der Brief, den die Schülerinnen vorlasen, den Justin am Abend vor dem Abtransport an seine Freundin und seine Tochter Hilde geschrieben hatte und der von Berta noch ergänzt wurde. Bertas Mutter kam ins KZ Theresienstadt, wo sie am 10. September ermordet wurde.

 

Nach dieser bewegenden Lebensgeschichte spannten die Schülerinnen gekonnt den Bogen zur Gegenwart, zum Künstler Gunter Demnig und zur Verlegung der „Stolpersteine“ in Schwabach, wobei sie die kontroverse Diskussion darüber (Süddeutsche.de: Gedenken, das entzweit) ebenfalls mit berücksichtigten.

Dennoch kamen die Mädchen am Ende ihrer eindrucksvollen Präsentation zu dem Ergebnis, dass für sie mit den „Stolpersteinen“ das Schicksal dieser NS-Opfer nun nicht mehr vergessen werde.