Enormes Potenzial

14.2.2011, 08:15 Uhr

Genau das ist ja auch das Ziel der „Evaluation Römisches Weißenburg“, die als internationales Pilotprojekt am gesamten deutschen Limes im November gestartet wurde. Nigel Mills ist einer der Chefs von Hadrian’s Wall Heritage Limited (HWHL). Die Firma ist für die Präsentation und Vermarktung des Grenzwalls des einstigen Römischen Reiches in England zuständig, der bereits seit 1987 zum
UNESCO-Weltkulturerbe gehört. Die Engländer haben also schon deutlich mehr Erfahrung und werfen von au­ßen einen Blick auf die Präsentation der römischen Geschichte und speziell der Limes-Historie in Weißenburg.

Ende März wollen die Engländer, die jetzt zur Arbeitskreisarbeit erneut in Weißenburg waren (wir berichteten), ihren Abschlussbericht vorlegen, kündigte Museumsleiterin Sabine Phi­lipp an. Das Papier muss dann noch übersetzt werden, die Präsentation wird voraussichtlich im Mai erfolgen. Erste Ergebnisse wurden ausgewählten Vertretern der Öffentlichkeit jetzt schon vorgelegt. 

Ihre Reaktionen auf die Ideen von Nigel Mills und seinen Kollegen waren durchgängig positiv. Und dabei hat er „natürlich noch nicht einmal alles
verraten“, merkte Philipp an. Klar aber auch, denn schließlich liegt ja noch viel Arbeit vor den Engländern, bis sie ihren Abschlussbericht verfasst haben. Besonders gefiel beispielsweise Dr. Karl-Friedrich Ossberger, der als Wirtschaftsvertreter die Präsentation erlebte, die Idee, den einzelnen Weißenburger Römerstandorten eigene Themen zuzuordnen.

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Bestimmte Aspekte der römischen Geschichte anhand einzelner Fundstätten oder -stücke zu erzählen, wird auch am Hadrian’s Wall mit Erfolg angewandt. Wichtig ist es Mills zufolge, „dabei den Blickwinkel des Betrachters einzunehmen“. Das heißt: nicht einfach ein Exponat hinstellen und beschreiben, was es war, sondern „das Fundstück mit einer Geschichte aus der Römerzeit verbinden“. Der Archäologe: „Besonders fesselnd ist es immer dann, wenn der Betrachter einen Bezug zum eigenen Alltag oder zur eigenen Umwelt herstellen kann.“

Er rät, drei Kernthemen aufzugreifen: die ungeheure Macht des Rö­mischen Reiches, den Wohlstand der Römer und ihren katastrophalen Nie­dergang. Die ersten beiden Punkte ließen sich anhand von Kastell und Thermen in Weißenburg darstellen, der Niedergang anhand des Schatzfundes, skizzierte Nigel Mills.

Dazu bedürfe es aber unbedingt ei­ner Belebung des Kastells, beispielsweise mit einem Biergarten oder einem Café. Das Nordtor sei der neuesten Forschung zufolge etwas zu klein ausgefallen. Sollte man eine Vergrößerung anstreben, könnte man die Gastronomie berücksichtigen, meinen die Engländer. Die Pläne zur Modernisierung der Thermen (wir berichteten mehrfach) befinden sie als gut. Und sie plädieren, wie berichtet, dafür, das Römermuseum in der Stadtmitte zu belassen, um Besucher in die Innenstadt zu holen und „so größtmöglichen wirtschaftlichen Erfolg aus dem Kulturtourismus zu ziehen“.

Aber in das Gebäude ist nach Ansicht der Briten zu viel reingepackt: Museum mit Römerschatz, Limes-Infozentrum und Touristinfo. Mills regte daher an, für Letztere eine andere Un­terkunft zu suchen oder Platz zu schaffen, indem Flächen zwischen
Gebäuden mit Glas überdacht werden und so „Räume draußen“ entstehen. Der Archäologe weiß, dass dies teuer kommt, aber man könne sich ja einen Zeitplan erstellen und auf ein solches Ziel hinarbeiten. Der Fachmann: „Das hätte leuchtende Qualität.“

Gleichzeitig machte Mills deutlich, dass bisher in Weißenburg gute Arbeit gelistet wurde. Was sie vorfanden, gefalle ihnen sehr. Weißenburg sei eine schöne Stadt mit gutem Essen und Trinken und vermittle einen aktiven und positiven Eindruck. Aber die Stadt müsse erst noch „national und international auf die Landkarte des Römertourismus gebracht werden“. Dieser Wirtschaftsfaktor sei nicht zu unterschätzen. Schon jetzt brächten die Besucher schätzungsweise jährlich zwei bis 2,5 Millionen Euro in die Stadt.

Notwendig ist es Mills zufolge, ein Markenzeichen für Weißenburg als touristisches Ziel zu entwickeln und intensive Netzwerkarbeit zu betreiben – einerseits mit anderen Tourismus­zielen, wie dem Naturpark Altmühltal und dem Fränkischen Seenland, und Touristikorganisationen, andererseits aber auch mit weiteren Limes-Sehenswürdigkeiten. Mehrfach nannte er da­bei das Kastell Ruffenhofen. Nigel Mills würde benachbarte Römerstätten nicht als Konkurrenz ansehen, vielmehr rät er dazu, gezielt ergänzende Angebote zu entwickeln. „Weißenburg muss aber das Zentrum sein.“

In der Römerstadt selbst ist es seiner Einschätzung nach wichtig, nicht nur das Marketing als zentrale Limes-Anlaufstelle zu entwickeln, die Verbindung zwischen Altstadt und dem Bereich Kastell und Thermen zu verbessern und die Präsentation der römischen Geschichte zu überarbeiten, sondern auch an anderen Punkten
anzusetzen.

Der ausgeschilderte Altstadtrundgang beispielsweise erzähle nichts. Besucher würden mit historischen Gebäuden und ein paar Tafeln alleingelassen, obwohl es so viel Geschichte zu erzählen gebe. „Da könnte mit wenig Mitteln viel erreicht werden“, fasste Dolmetscherin Christine Puff die umfang­reichen Ausführungen Mills knackig zusammen.

Des Engländers These, dass mit der Geschichtsvermittlung bei den Kindern angesetzt werden muss, weil sie der Schüssel zu den Eltern sind, lobte Dieter Theisinger, Direktor des Weißenburger Gymnasiums , der als Vertreter der Schulen der Präsentation beiwohnte. Er schlug zudem vor, einen Schüleraustausch zwischen hie­sigen Limes-Stätten und Orten am Hadrian’s Wall zu initiieren, der auch nach Ungarn ausgeweitet werden könne, wo es den sogenannten Wasser-Limes gibt.
Außerdem beklagte Theisinger die Empfangssituation am Weißenburger  Bahnhof, wo auch viele Schülergruppen ankämen. Er könnte sich zudem vorstellen, den Bahnhof in den Rundgang, der die Römerstätten und die Altstadt verbindet, besser einzubeziehen.

Dem pflichteten die Engländer bei, und Nigel Mills hatte noch eine Botschaft, die ihm besonders wichtig ist: Die Bürger müssen bei alledem mit­genommen werden und „der Stolz der Weißenburger“ auf ihre Stadt muss besser entwickelt werden. Wenn einige Vorschläge aus der Evaluation umgesetzt würden, entwickle er sich aber wohl von selbst.