Medizin- und Pflegesektor in Altmühlfranken: Sorge wegen der Impfpflicht

21.1.2022, 15:45 Uhr

Ab dem 16. März müssen alle Pflegekräfte und das übrige Personal in Alten- und Pflegeheimen gegen Covid-19 geimpft sein. Während die meisten Heimleiter die Impfpflicht begrüßen, machen sich einige Mitarbeiter/innen Sorgen um ihre Zukunft. © Peter Esser/Caritas, NN

Willy Bergdolt, der Leiter des Awo- Seniorenzentrums Else und Heiner Stöhr in Weißenburg, sieht zur vollständigen Immunisierung des kompletten Heimpersonals keine Alternative. „Das geht schon von der Dienstplanung gar nicht anders“, sagt Bergdolt am Telefon. Der Manager, der die Personalverantwortung für insgesamt 90 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter trägt, ist froh, dass nur noch zwei seiner Angestellten bis dato ungeimpft sind.

Falls sie nicht woanders arbeiten und im Awo-Heim bleiben wollen, müssten sie sich sputen. Schließlich müsste die zweite Impfung bis spätestens Anfang März erfolgt sein.

„Keine Alternative“

Werbung
Werbung

Falls die zwei verbliebenen Ungeimpften ihre Impfverweigerung nicht aufgeben, müsste Bergdolt die Mitarbeiter erst einmal von der Arbeit freistellen und sie bekämen dann auch keinen Lohn. Ein Szenario, dass die Angestellten Bergdolt zufolge kennen und das sie offenbar dennoch in Kauf nehmen.

Warum das so ist? Der Manager weiß aus Mitarbeitergesprächen, dass die Angst vor einer schweren Erkrankung infolge der Immunisierung teilweise groß ist. Zudem vertrauten sie auf ihre gute Immunabwehr, die sie schon vor anderen Infektionskrankheiten bewahrt habe.

Den Seniorenheimleiter bringt das in gewisse Schwierigkeiten, wenn ab dem 16. März die beiden Mitarbeitenden nicht mehr eingesetzt werden dürfen. Konkret bedeutet das: Kollegen müssen ihre Stunden hochfahren und Mehrarbeit leisten. Zudem muss Bergdolt eine Meldung an das Gesundheitsamt machen, das dann entscheiden muss, welche Konsequenzen das hat.

Genaue Folgen ungeklärt

Der Seniorenheimchef ist überzeugt, dass es keine echte Alternative zur allgemeinen Impfpflicht gibt und hofft deshalb auch, dass sie endlich kommen wird: „Sonst werden wir die Lage nie in den Griff bekommen, wir müssen die Impfquote noch deutlich anheben.“ Dass Geimpfte zusehends wütender werden auf die Ungeimpften, kann der Manager nur allzu gut verstehen: „Das ist absolut unsolidarisch.“

Damit liegt er auf einer Linie mit Klinikchef Christoph Schneidewin. Der Geschäftsführer des Klinikums Altmühlfranken schätzt, das rund 60 Mitarbeiter und damit circa sechs Prozent des Personals, ungeimpft oder noch nicht genesen sind. Damit läge die Impfquote in den Kliniken im Landkreis sogar über dem Durchschnitt: Laut einer Umfrage des RKI sind derzeit lediglich rund vier Prozent des Krankenhauspersonals noch nicht gegen Corona geimpft.

So oder so will Schneidewin erst einmal abwarten, was die Impfpflicht für seine Kliniken in Weißenburg und Gunzenhausen bedeutet. Die genauen Folgen seien derzeit ja rechtlich noch ungeklärt. Er werde lediglich alle ungeimpften Mitarbeiter am 16. März dem Gesundheitsamt melden, das dann ein Betretungs- und Arbeitsverbot für die Klinikangestellten verhängen muss.

Klinikchef findet allgemeine Impfpflicht am fairsten

„Wir harren erst einmal der Dinge, die da kommen“, sagt Schneidewin, der es für „problematisch“ erachtet, wenn auf die ohnehin gut ausgelasteten Gesundheitsämter künftig auch noch die Kontrolle der Impfpflicht abgeladen werde. Auch der Klinikchef fände eine allgemeine Impfpflicht deshalb am fairsten für alle.

Dieter G. (richtiger Name der Redaktion bekannt) sieht das dagegen ganz anders. Der 53-jährige Altmühlfranke arbeitet in einem Pflegeberuf und findet sowohl die Diskussion über eine Impfpflicht für bestimmte Berufgsgruppen als auch die allgemeine Impfpflicht als „gruselig“. Er habe zwar schon lange eine Impfpflicht für seinen Beruf kommen sehen, sagt der Mann, der am Telefon durchaus rational und vernünftig rüber kommt. „Ich bin auch kein Corona-Leugner“, betont er.

Nach dem aktuellen Wissenstand mache die Impfung aus seiner Sicht für ihn aber keinen Sinn. Vor allem weil die Immunisierung keinen hundertprozentigen Impfschutz für andere biete: „Der Fremdschutz ist nicht gegeben.“

Es geht um die berufliche Existenz

Weil er sich ohnehin regelmäßig testen lasse und permanent auf der Arbeit eine FFP2-Maske trage, sehe er auch überhaupt keine Notwendigkeit für die Impfung – zumal der Impfschutz ohnehin nur wenige Monate anhalte. „Wenn nachgewiesen wäre, dass die Impfung zu einer echten Herdenimmunität führt, dann würde ich mich auch impfen lassen“, sagt Dieter G. Davon sei man aber weit entfernt.

Was mit ihm und seinem Arbeitsplatz nach dem 16. März passiert? Dieter G. weiß es nicht so genau. Nur eines weiß er ganz sicher: „Ich will unbedingt meinen Arbeitsplatz behalten, es geht hier auch um meine Existenz und meine Familie.“

Warum er dann nicht einfach in den für ihn sauren Apfel beißt und sich in den Oberarm pieksen lässt, will der Reporter von ihm wissen, für den alle drei Impfungen ohne große Impfreaktionen oder Komplikationen verlaufen sind. „Das wäre gegen meine innere Überzeugung“, sagt Dieter G., der mit sich selbst im Reinen sein will und für seine Überzeugung auch schon auf die Straße gegangen ist.

Schlaflose Nächte

„Ich mache das vor allem auch für die jungen Menschen, die sich meiner Meinung nach überhaupt nicht impfen lassen müssten“, sagt der Altmühlfranke, der seit der Ankündigung der Impfpflicht für seinen Beruf nur noch schlecht schlafen kann.

Er glaubt, dass das Coronavirus die Gesellschaft noch weiter spalten wird. Ein letztes Fünkchen Hoffnung hat aber auch er: Vielleicht schaffe ja die Omikron-Variante eine sogenannte „schmutzige Immunisierung“ und damit eine Durchseuchung der Bevölkerung, sodass er am Ende um den Pieks im Arm umhinkommt.

Eine Vision, die Gesundheitsminister Karl Lauterbach übrigens für keine gute Alternative und für viel zu gefährlich hält, wie er kürzlich in einem Interview sagte.