Schröppel ist erleichtert, Kamm reagiert gefasst

31.3.2020, 06:02 Uhr

Kurz vor 18.30 Uhr ging das erste Ergebnis online. Vier der 13 Briefwahlbezirke waren ausgezählt. Herausforderer Tobias Kamm von der CSU lag zu diesem Zeitpunkt mit 51,4 Prozent der Wählerstimmen in Führung, für Schröppel gab es da 49,6 Prozent. Um 18.35 Uhr kam der nächste Wahlbezirk hinzu. Nun hatte der Sozialdemokrat mit 50,03 Prozent gerade einmal die Nasenspitze vorne. Es war ein hauchdünner Vorsprung von nur zwei Stimmen.

Acht Minuten später das nächste Zwischenergebnis, als sieben Bezirke ausgewertet waren: Kamm lag wieder in Führung. Er hatte 50,38 Prozent, 49,62 gab es für Schröppel. Um 18.54 Uhr waren neun Briefwahlbezirke ausgezählt. Der Amtsinhaber hatte sich da wieder ganz knapp mit sieben Stimmen und 50,06 Prozent nach vorne geschoben.

Ab diesem Zeitpunkt stabilisierte sich das Ergebnis für ihn. Um 19.03 Uhr – das Ergebnis aus zehn Bezirken lag vor – hatte er exakt 100 Stimmen Vorsprung und 50,7 Prozent erreicht. Zehn Minuten später waren es zwölf Bezirke und 51,4 Prozent für Schröppel. Da hatte er 43 Stimmen Vorsprung. An den Prozentwerten, 51,6 für Schröppel und 48,6 für Kamm änderte sich bis zum Schluss nichts mehr. Der Amtsinhaber holte 4876 Stimmen, sein Herausforderer 4608, somit hat Schröppel 268 Stimmen Vorsprung. Dies wurde als vorläufiges Endergebnis veröffentlicht. Die Wahlbeteiligung liegt bei 66 Prozent.

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Daran änderte sich auch gestern bei der Überprüfung im städtischen Wahlamt nichts mehr. Um 16 Uhr trat der fünfköpfige Wahlausschuss unter Vorsitz von Wahlleiter Joachim Heinlein zusammen, um das endgültige Ergebnis festzustellen. Bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe dauerte die Sitzung noch an.

Unbeschreibliche Anspannung

OB Schröppel zeigte sich gestern sehr erleichtert über die, wenn auch knappe, Wiederwahl und dankte allen Wählern und Unterstützern. Die Anspannung der vergangenen Tage und speziell am Sonntag sei enorm gewesen. "Das kann man nicht beschreiben", sagte der Sozialdemokrat gegenüber unserer Zeitung.

Am Tag nach seinem 58. Geburtstag hatte er die Auszählung zu Hause am Computer verfolgt. Tobias Kamm hielt es ähnlich und beobachtete den Wahlausgang in einer Videokonferenz zusammen mit Mitstreitern. Der 38-Jährige rief danach OB Schröppel an und gratulierte ihm. Gleiches tat auch CSU-Stadtratsfraktionsvorsitzender Klaus Drotziger. Von Landrat Gerhard Wägemann erhielt Schröppel eine Glückwunsch-SMS.

Der Sozialdemokrat ist angesichts des knappen Wahlausgangs davon überzeugt, dass "die Zeit der Amtsboni vorbei ist". Mit einer positiven Bilanz punkten zu wollen, ziehe offenbar nicht mehr. "Was die letzten Jahre passiert ist, ist nicht zu den Leuten durchgedrungen", bedauert Schröppel. Dies zeigen seiner Meinung nach auch die Wahlen in Hof, wo Amtsinhaber Harald Fichtner (CSU) gegen Eva Döhla (SPD) verloren hat. Schröppel kennt Fichtner von der Arbeitsgemeinschaft fränkischer Oberbürgermeister.

Als weiteres Beispiel nannte er die Abwahl von Carda Seidel (parteilos) in Ansbach nach zwölf Jahren Amtszeit, aber auch von Bernhard Kisch (CSU) in Bad Windsheim nach sechs Jahren. "Das hätte es früher nicht gegeben", meint der Weißenburger OB.

Vor diesem Hintergrund könne leichter eine Wechselstimmung erzeugt werden. Das Stadtoberhaupt: "Aber letztlich hat sich ja dann doch die Erkenntnis durchgesetzt, dass es in der derzeitigen Situation keinen Sinn ergibt zu wechseln."

Schnell zur Tagesordnung zurück

Im Weißenburger Stadtrat gelte es ab Mai "schnell zur konstruktiven Zusammenarbeit zurückzufinden". Schröppel: "Die hat uns in den vergangenen Jahren erfolgreich gemacht." Da ein Großteil der amtierenden Räte wiedergewählt worden sei, bestehe das Gremium "aus lauter erfahrenen Leute, mit denen man gut zusammenarbeiten konnte".

Der Wahlkampf habe ja auch keine wirklichen "persönlichen Verletzungen" hinterlassen, sodass relativ schnell zur Tagesordnung gefunden werden dürfte, was in und nach der Corona-Krise umso wichtiger sei. Denn sicher seien die Einnahmen, speziell aus der Gewerbesteuer, deutlich geringer als veranschlagt. "Da müssen wir über das eine oder andere neu diskutieren", sagte der OB.

Er sei ob des Sieges in der Stichwahl "glücklich und zufrieden" und werde sich "mit ganzer Tatkraft" nun wieder seinen Aufgaben als OB widmen. Auch im veränderten Stadtrat wolle er sich "als Moderator einbringen". Dem Gremium wird ab Mai dann auch Tobias Kamm angehören, der als Spitzenkandidat die meisten Stimmen auf der CSU-Liste geholt hat.

Kamm will die Wahl nicht anfechten

Der Christsoziale zeigte sich gestern enttäuscht über die Niederlage in der Stichwahl. "Man möchte es schon werden, wenn man seit letztem Sommer das forciert hat", meinte er. Er habe das Ergebnis aber auch "schon verkraftet". "Das Leben geht weiter", sagte Kamm, der die Wahl von sich aus nicht anfechten will, wie er auf Nachfrage sagte.

Wegen mancher nicht zugestellter Briefwahlunterlagen gab es vor allem in den sozialen Medien in den vergangenen Tagen immer wieder Kritik, Kamm aber glaubt, dass "das Wahlamt zuverlässig gearbeitet" hat. Ob das Ergebnis rechtlich haltbar ist, könne er nicht beurteilen. Probleme habe es ja bayernweit gegeben. Daher müsse dies an höherer Stelle, sprich beim Landeswahlleiter, entschieden werden. Weißenburgs Wahlleiter Joachim Heinlein sieht übrigens geringe Erfolgsaussichten für eine Wahlanfechtung.

Für Tobias Kamm beginnt nun wieder Alltag. Für die heiße Phase des Wahlkampfes hatte er sich Urlaub genommen. Am heutigen Dienstag kehrt er an seinen Arbeitsplatz als Baufinanzierer bei der Sparkasse Mittelfranken-Süd zurück. Außerdem steht seine Elternzeit bevor, denn bekanntlich hat seine Lebensgefährtin wenige Tage vor der Wahl Zwillinge entbunden.