Xavier Naidoo in Nürnberg: Soul mit fragwürdigem Inhalt

1.12.2019, 12:30 Uhr

Xavier Naidoo präsentierte in der Nürnberger Arena neue Songs der „Hin und Weg"-Tour, aber auch alte Lieder. Die Show war restlos ausverkauft. © Hans von Draminski

Rätsel gab mancher der Songs, die Xavier Naidoo unter das Volk streut, schon damals in den 1990er Jahren auf, als der Barde mit der Samtstimme sich aus dem Hip-Hop-Kollektiv löste und anfing, sein eigenes Ding durchzuziehen. Ein junger deutscher Sänger mit Migrationshintergrund, der vorwegnahm, was im Jahr 2019 getrost in die wohlfeile Schublade "Neue deutsche Betroffenheit" gesteckt und dann vergessen werden darf.

Hatte Naidoo sich doch schon sehr früh auf deutschsprachige Lyrik kapriziert und wurde auch und gerade durch seine Hip-Hop- und Soul-Wurzeln zum Vorbild für Tim Bendzko, Wincent Weiss und Co. Über deren Liedgut freilich muss man sich kaum den Kopf zerbrechen, denn im Gegensatz zu Naidoo werden jene nicht von einem mehr oder weniger kruden Ziel getrieben, haben keine Wandlung vom sendungsbewussten katholischen Christen – manche nannten Xavier Naidoo in den frühen 2000er Jahren den "Messias von Mannheim" – zu einem der Reichsbürger-Bewegung nahe stehenden Salon-Nationalisten mitgemacht.

Altherrensakko und fragwürdige Texte

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Zwar beschränkt sich der mit Schiebermütze, Sonnenbrille und Altherrensakko als bescheidener "Typ von nebenan" auftretende Sänger mit der nach wie vor sehr starken, wandlungsfähigen, schattierungsreichen Stimme bei seinem Nürnberger Konzert fast nur darauf, bekannte Songs in behutsam modernisiertem Gewand vorzustellen. Manchmal kommt aber auch die andere Seite kurz an die Oberfläche.

Etwa dann, wenn er stolz wie Oskar verkündet, dass einer seiner Mitmusiker eigentlich Engländer ist, jetzt aber "wegen dem Brexit-Scheiß, ihr wisst schon" zum Deutschen geworden sei – was die rund 8000 Menschen in der Arena herzlich beklatschen, ohne sich über den tieferen Sinn der Bemerkung Gedanken zu machen. Macht man sich die Mühe, auch und gerade jene älteren Stücke inhaltlich zu hinterfragen, die der fitte Barde im sparsamen Bühnenbild gleichsam am Fließband präsentiert, könnte man auf die Idee kommen, dass da einer über eine Art von Revolution nachdenkt, über einen "deutschen Widerstand", den niemand in dieser Form wollen kann – Xavier Naidoo hoffentlich auch nicht.