Gegen den Trend: Dieser Musik-Bereich ist Gewinner der Krise

8.2.2021, 06:00 Uhr

Der bekannte US-Hersteller Fender etwa verkaufte 2020 mehr Gitarren als je zuvor in der Unternehmensgeschichte. Und auch Firmen wie Gibson, Martin und Taylor zählen laut dem Musik-Magazin Rolling Stone zu den Gewinnern der Krise. Kein Wunder: Wenn Restaurants, Clubs und Fitnessstudios geschlossen haben, das Homeoffice zur Dauereinrichtung wird und vielleicht noch Geld vom stornierten Urlaub übrig ist, besinnt sich mancher auf sein altes Hobby und gönnt sich ein neues Instrument. Andere suchen eine Beschäftigung für die frei gewordene Zeit und stoßen als Einsteiger auf die Gitarre.

"Der erste Lockdown im Frühjahr 2020 war eine Erfahrung, die man so noch nie gemacht hatte", sagt Matthias "Matt" Kleiß von BTM, dem renommierten Nürnberger Fachgeschäft für Gitarren und Bässe in der Fürther Straße. "Anfangs hatten wir ein mulmiges Gefühl, als wir den Laden schließen mussten, doch bald stellte sich heraus, dass wir über Anfragen auf unserer Webseite so viele Gitarren und Zubehör verkaufen konnten, dass wir keinen existenzbedrohenden Umsatzeinbruch hatten."

BTM kam mit seinen 13 Mitarbeitern gut übers Jahr 2020. "Wir sind sicher nicht die Superprofiteure, das sind eher die großen Onlinehändler, aber es hat uns für den aktuellen Lockdown, der ja wohl noch länger dauert, beruhigt", erklärt der BTM-Chef. Während der Beschränkungen im Frühjahr 2020 hätten sich unglaublich viele Kunden für die auf dem Markt noch recht junge Ukulele interessiert, berichtet er. Wohl, weil sich das handlich kleine Instrument mit nur vier Saiten leicht erlernen lässt. Günstiger als die Gitarre ist es außerdem.

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Die Ukulele sei bei Kunden immer noch ein Thema. Daneben kommen bei BTM inzwischen Anfragen aus ganz Europa an, wenn irgendwo ein bestimmtes Instrument nicht mehr zu haben ist. "Das hilft uns ebenfalls durch die Situation", sagt Kleiß.

Auch dem Musikhaus Thomann, Europas größtem Instrumentenhandel mit Sitz in Treppendorf im Landkreis Bamberg, hat die Nachfrage nach Gitarren geholfen, das vergangene Jahr zu retten. "Wir sehen da durchaus einen Corona-Faktor", erklärt Marketing-Chef Dominic Wagner. "Als Vollsortimenter haben wir über 90.000 Produkte im Katalog. Die Pandemie hat darauf einen massiven Einfluss."

Alles, was mit Events zu tun habe, etwa Lautsprecher und Licht für große Bühnen, sei aufgrund der abgesagten Veranstaltungen in den Keller gerauscht. Andere Produkte wie Kopfhörer, Homerecording-Zubehör oder Keyboards hätten den Verlust einigermaßen auffangen können. Auch akustische und elektrische Gitarren gehören dazu.

Die Trompete überholt

Popularitätswellen habe es bei Instrumenten in den vergangenen Jahrzehnten allerdings immer wieder gegeben, so Wagner. In den 1950er Jahren, als es noch keine elektrischen Verstärker gab, war die Trompete angesagt. Als dann die Beatles, Stones und Jimi Hendrix in den 60er und 70er Jahren im Rampenlicht standen, hielt mit der Rockmusik die Gitarrenvirtuosität Einzug – und das Instrument lief der Trompete den Rang ab.

Einfluss haben auch die Musikerpersönlichkeiten. "In den 90ern tourten Guns’n Roses und Metallica, Slash mit seiner Gibson Les Paul war ein großes Idol. Dann kam die Grunge-Welle mit Kurt Cobain", sagt Wagner. Matt Kleiß, der BTM 1983 mitbegründet hat, stimmt ihm da zu. "Eine Ikone wie Eric Clapton regt die Nachfrage nach der Fender Stratocaster an, die Stones eher die nach der Telecaster. Und als die neue Singer/Songwriter-Welle anlief, waren akustische Gitarren mit Tonabnehmer gefragt." Auch YouTube-Stars würden den Verkauf befeuern.

Nach Kleiß’ Beobachtung wagen sich als "erfreuliche Tendenz" immer mehr Frauen an das Instrument. Das höre man allgemein in der Branche. Ob das an Corona liege, sei aber nicht auszumachen. Dominic Wagner sieht nach wie vor hauptsächlich Männer an den sechs Saiten. "Das spiegelt sich auch bei uns", sagt er. Womöglich liege das am Jäger- und Sammler-Phänomen.

Einer, der nicht von der Pandemie profitieren kann, ist der Nürnberger Gitarren- und Geigenbauer Max Strohmer. Es stagniert, Aufträge aus Übersee und Fernost blieben weitgehend aus, das Geschäft sei zur Hälfte, eher zu zwei Dritteln weggebrochen. "Wir können die Leute nicht zum Gespräch reinlassen", erklärt Strohmer. Zudem gehe es den Profi-Musikern gerade schlecht. Verzagen will der 70-Jährige, der das Unternehmen bereits der Tochter übergeben hat, nicht: "Wir sind zufrieden und jammern auf hohem Niveau". Den Austausch mit Kunden vermisst jedoch auch er: "Das fehlt schon."