„Gefühl entsteht nicht am Computer“

19.9.2010, 09:59 Uhr

Lucius A. Hemmer ist bester Dinge. Der Chef der Nürnberger Symphoniker ist höchstpersönlich in die Streetlife-Studios im Niemandsland zwischen Fürth und Erlangen geeilt, um sein Orchester bei der Arbeit zu bewundern. In dem geräumigen Aufnahmesaal neben dem Schloss Steinach spielen die über 50 Musiker seit den frühen Morgenstunden die Musik zu einem Kurzfilm von Regisseurs Berter Orpak ein. Der 27-jährige Stuttgarter studiert Design/Film und Animation an der Georg-Simon-Ohm-Hochschule in Nürnberg, die sich in den letzten Jahren einen hervorragenden Ruf als Talentschmiede unter anderem in Sachen Animation und 3-D-Film erarbeitet hat. Für Orpak ist es nicht die erste Filmarbeit: Sein Regiedebüt „Das Protokoll“ fand 2009 internationale Beachtung.

Orpaks zweiter Kurzfilm heißt „Revolution 613“ und ist komplett animiert. Der 15-minütige Streifen folgt der Erzähltradition der griechischen Tragödie, spielt jedoch auf einem nicht näher definierten Planeten zu einer anderen Zeit. Dort leben die Menschen seit Generationen unter der zerstörten Planetenoberfläche. Doch die Machthaber verheimlichen dem Volk, dass es oben längst wieder bewohnbar geworden ist...

„Revolution 613“ ist nicht irgendein Studentenprojekt, sondern auf Hollywood-Niveau gestrickt. Das beginnt bei den Animationen und speziellen Motion Capture-Effekten (menschliche Bewegungen werden vom Computer erfasst und direkt auf die virtuellen Figuren übertragen) und reicht über ein Programm für fotorealistisch-animierte Haare, das in Amerika entwickelt und den Studenten kostenlos zur Verfügung gestellt wurde, hin bis eben zur Musik.

Die hat der Nürnberger Thommy Dietrich komponiert, der Berliner Dirigent David Zell hat sie arrangiert. Eingespielt wird der Soundtrack von den Nürnberger Symphonikern, die seit Jahrzehnten Erfahrung mit Filmmusik haben. In der Vergangenheit waren die Franken unter anderem in Kinoklassikern wie „Ben Hur“ und „Quo Vadis?“ oder auch in der Fernsehserie „Die Schöne und das Biest“ zu hören. Für letztere gab’s 1992 sogar einen Grammy Award.

Allein die Kosten für den Bereich Musik würden sich bei „Revolution 613“ auf rund 85000 Euro belaufen – eine Summe, die die jungen Studenten natürlich unmöglich aufbringen können. Ihr Budget beträgt dank einer Finanzspritze der Filmförderung Franken genau 1000 Euro, weshalb sämtliche Beteiligten kostenlos dabei sind, um den Film zu veredeln.

Natürlich könnte man einen Orchester-Soundtrack heute längst auch komplett am Computer entstehen lassen, doch davon will hier keiner etwas wissen. „Da hast du keine Wärme, keine harte Emotion“, sagt Dietrich, und Hemmer fügt hinzu: „Das Zusammenspiel, das menschliche Gefühl und nicht zuletzt die Unschärfe, die ein Orchester automatisch immer mitbringt, all das kann man nicht im Rechner kreieren.“

Anfang 2011 soll der aufwändige Kurzfilm fertig und dann auf Festivals weltweit zu sehen sein. Premiere in Franken will „Revolution 613“ bei der nächsten Ohmrolle feiern, der jährlichen Werkschau der Design-Studenten der Ohm-Hochschule im Nürnberger Cinecittà.