Giora Feidman: Vollblutmusiker mit Leib und Seele

16.8.2016, 09:00 Uhr

Giora Feidman (links) begeisterte gemeinsam mit anderen Musikern in der Geru-Halle das Publikum.

Hauchzarte Klarinettentöne bewegen sich von der hinteren Hallentür nach vorne. "Yesterday", von den Beatles, gespielt mit Mut zur Langsamkeit, jeder Ton wird zum Genuss - unverkennbar Giora Feidman. Vom ersten Ton an lädt er ein genau hinzuhören, auch auf die leisen Töne, und zieht den Zuhörer in seinen Bann. Man nimmt ihm ab, wenn er sagt, die Klarinette sei das "Mikrofon" seiner Seele. Und auch alle Musiker, mit denen er an diesem Abend auf der Bühne steht, sind nicht nur virtuose Instrumentalisten, sondern spürbar mit Herz und Seele dabei.

Mitreißende Mischung

Die vier Musiker von Gitanes Blondes haben sichtlich Spaß auf der Bühne. Treibende Nachschläge von Gitarre und Kontrabass, flirrendes Akkordeon, süße Melodien und rasende Läufe der Violine ergeben eine mitreißende Mischung. Bei aller feurigen Virtuosität erlebt der Zuhörer höchste Präzisionsarbeit. Mit Feidman haben Gitanes Blondes bereits etliche Konzerte gegeben. Sie sind ein eingespieltes Team. Feidmans Klarinette flicht sich perfekt mit ein, legt sich auf Arpeggi und spielt sich mit Geige und Akkordeon die Melodien zu.

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Bei "Nobody knows the trouble I’ve seen" stellt Geiger Mario Korunic zu seinem eigenen Geigenspiel seine Fähigkeiten im Scat-Gesang unter Beweis, Feidman klinkt sich mit der Bassklarinette dazu. Auch Gitarrist Christoph Peters scattet drauf los. Immer wieder beweisen die Musiker ihren Sinn für Humor. Fließende Übergänge? Das geht auch mal ganz anders. So wird ein Stück durch einen Akkord des Akkordeons einfach abgewürgt, nach dem Motto "Jetzt reicht’s aber, gehen wir zum nächsten".

Augenzwinkernd wird in einem Stück demonstriert, wie es sich anhört, wenn Kontrabassist Simon Ackermann am Steuer sitzt. Wer hätte gedacht, dass einem Kontrabass Geräusche zu entlocken sind, die dem eines Motors zum Verwechseln ähnlich sind? In einem unaufhaltsamen Ritt geht es voran, dem großen Krachen entgegen. Begeisterter Applaus auch für Konstantin Ischenko, der mit seinem Solostück zeigt, was man alles aus einem Akkordeon herausholen kann - wenn man weiß wie.

Ruhige Töne sind zu hören, als Feidman Johannes Tonio Kreusch auf die Bühne bittet. Gemeinsam bringen sie mit südamerikanischen Stücken eine unwiderstehliche Mischung aus Melancholie und Leichtigkeit auf die Bühne. Feidmans Ton rührt an, ohne jeden Anflug von Kitsch, getragen von Kreuschs feinem, klaren Spiel.

Dass es für Feidman nicht nur scheinbar keine spieltechnischen Grenzen, sondern vor allem keine stilistischen gibt, zeigt das Medley aus jiddischen und Schubert-Liedern. Die Mischung funktioniert. Über Schubertsche Begleitfiguren passen jiddische Melodien, da ist kein Bruch. Auch Johannes Tonio Kreusch spielt ein Solostück, eine Eigenkomposition, und zieht mit seinem versunkenen Spiel das Publikum in seinen Bann.

"Nicht nur, was er für eine Seele hat", sagt Feidman, "Auch seine Fähigkeit, sie auszudrücken!". In Kreusch habe er jemanden gefunden, der beherzigt, was Feidmans Vater ihm beigebracht habe: Ein Musiker dient mit seiner Musik der Gesellschaft. Niemand verkörpert diese Einstellung so sehr wie Giora Feidman. So wird aus einem Medley aus den Nationalhymnen der Israelis, der Palästinenser und der Deutschen ein eindrückliches Plädoyer für Versöhnung. Und für diese ist Musik sowieso das beste Mittel, denn sie ist die Sprache, die überall auf der Welt verstanden wird. Oder wie Feidman sagt: "Musik ist Musik."

Das wird auch bis in die letzte Zuhörerreihe deutlich beim gemeinsamen Singen von "Shalom chaverim" oder "Dona dona". So wie Feidman durch sein "Noch einmal" das Publikum zum Weitersingen auffordert, würde am liebsten auch das Publikum diesen Abend nie zu Ende gehen lassen, muss sich aber mit einer Zugabe zufrieden geben. Standing Ovations für einen einmaligen Künstler und seine Kollegen, die die Kraft der Musik spürbar machten.