Präsentation zur Architekturgeschichte

Kaiserburg als Symbol der Macht

10.10.2022, 08:23 Uhr

In Hinblick auf künftige Reichsparteitage wurde die Kaiserburg Nürnberg zum 1. April 1934 der Bayerischen Schlösserverwaltung übertragen, um sie als „Wohn- und Repräsentationsstätte des Führers“ instand zu setzen. Innerhalb kürzester Zeit folgten Baumaßnahmen, die Bestandteil des vom damaligen, bayerischen NS-Ministerpräsidenten Ludwig Siebert initiierten auch touristisch und baupolitisch motivierten Programms zur Instandsetzung speziell von Burgen in Bayern waren. Sie folgten ebenso der Anregung durch den Nürnberger NS-Oberbürgermeister Willy Liebel auf dem Reichsparteitag 1933, die Burg als „Ehrenwohnung“ für den „Führer“ einzurichten.

Spätestens zum Reichsparteitag 1935 sollte die Burg zur Verfügung stehen, wobei Hitler nicht vorhatte, auf der Burg zu wohnen. Er übernachtete üblicherweise im Hotel Deutscher Hof.

Es ging der NS-Führung um den repräsentativen Rahmen – eine Kulisse für den „Führer“ an der geschichtssymbolisch und tatsächlich höchsten Stelle Nürnbergs. Haupträume des Palas sollten der Unterbringung hochrangiger Staatsgäste dienen und gleichzeitig dem Publikum zugänglich sein. Der Schlösserverwaltung ging es darum, hier eine Burgen-Wiederherstellung im Sinne der „Schöpferischen Denkmalpflege“ durchführen zu können.

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Rund hundert Jahre vorher waren die Räume der Kernburg für Wohn- und Repräsentationszwecke des bayerischen Königshauses und als „Museum mittelalterlicher Kunsterzeugnisse“ im „gotischen Stil“ eingerichtet worden. 1934 entfernte man radikal die nun als „schwächlich“ und „romantisch“ herabgewürdigte historistische Raumausstattung von C. A. Heideloff (1789-1865) und dem nachfolgend beauftragten A. Voit (1801-1870) und ersetzte sie durch eine „werkgerechte“ Wiederherstellung der Zeitebene um 1550.

Nach außen zur Stadt hin sichtbar wurde die vermeintlich spätmittelalterliche „Purifizierung“ durch den Umbau des 1866 an die Westseite angebauten neoromanischen Söllers zu einer Art überdimensioniertem offenem Balkon. Hier soll wenige Tage nach der Wiedereröffnung der Burg Hitler gestanden und „hinab zu der vieltausendköpfigen Menge“ gegrüßt haben, wobei von diesem Ereignis, soweit bekannt, kein Foto überliefert ist.

Die NS-Ideologen stellten sich das Mittelalter als eine Art idealisierten Führerstaat vor. Burgen und insbesondere Reichsburgen wie die Kaiserburg sollten Zeugnis sein für den Machtanspruch des Reichs im Mittelalter und die im „Dritten Reich“ angestrebte neue deutsche Größe beschwören. Auftritte des „Führers“ auf dem hohen Balkon der Kaiserburg passten da ins propagierte ekstatische Bild, die Burg „mitten hineingestellt in das große Geschehen der Gegenwart“.

Nur zehn Jahre nach der „Wiedererstehung“ der Kaiserburg wurde die „Stadt der Reichsparteitage“ im Zweiten Weltkrieg mitsamt der Burg zerstört. Ihr Wiederaufbau ab 1946 orientierte sich an der Mittelalter-Rekonstruktion von 1934, die man nun noch stringenter ausgestalten wollte. Die erhoffte Wiederherstellung des ursprünglichen Raumeindrucks wurde auch notgedrungen weit gefasst. Dazu gehörte zum Beispiel die Vergrößerung des oberen Saals des Palas, wodurch aus dem Einsäulensaal ein Zweisäulensaal wurde und damit zwangsläufig ein veränderter Raumeindruck entstand.

Besucht man heute die Kaiserburg, sollte man sich im Klaren sein, dass man sich zumindest teilweise in nach den denkmalpflegerischen Prinzipien von 1934 wiederaufgebauten Räumen bewegt. Bei der derzeitigen Präsentation im Palas geht es auch darum, dies deutlich zu machen.