Knigge-Kurse in Gunzenhausen

5.5.2016, 06:57 Uhr

Damit liegt die Weißenburgerin, Jahrgang 1950, zum einen ziemlich genau auf der Linie jenes später „Benimm-Papst“ genannten Freiherrn Adolph Knigge (1752 bis 1796). In dessen Hauptwerk „Über den Umgang mit Menschen“ ging es nämlich – entgegen der landläufigen Meinung – ebenfalls vor allem um ein höfliches Miteinander, und weniger um bloße Verhaltensregeln.

Zum anderen trifft sie bei den 10- bis 13-Jährigen, die meist von ihren Eltern in den Kurs geschickt werden und nicht selten mit Vorbehalten dort auftauchen, durchaus einen Nerv: „Die Kinder werden schon hellhörig, wenn wir über Mobbing in der Schule sprechen.“ Und sie lernen schnell, dass es wichtig ist, andere zu respektieren, auch wenn sie anders sprechen oder sich anders kleiden; dass anders zu sein nicht bedeutet, schlechter zu sein.

Die ausgebildete Mediatorin nutzt dabei auch kleine Experimente, um ihrer kindlichen Klientel den Sinn von Manieren zu veranschaulichen: „Ich bringe schon mal einen Kuchen mit, den wir miteinander essen“, sagt sie. Und dabei komme es ihr weniger darauf an, ob die Kinder ihn mit der Gabel oder mit der Hand verputzen: „Wichtig ist, dass sie Rücksicht darauf nehmen, ob auch die anderen etwas abbekommen.“

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„Aktives Zuhören“

Ein Schlüssel für gutes Benehmen sei, so sagt sie, dass man „sein Gegenüber wahrnimmt“, dass man ihm das Gefühl gibt, ernst genommen zu werden. Das gelte für Kinder an der Kuchentafel ebenso wie in der Familie oder für Chefs im Umgang mit ihren Angestellten: Wenn die ihre Leute begrüßten, ohne sie anzusehen, oder wenn sie während eines Mitarbeitergesprächs telefonierten, „dann habe ich als Gegenüber nicht das Gefühl, dass meine Probleme gesehen werden“, sagt von der Recke. „Aktives Zuhören“ sei hier Pflicht, wenn man nicht schlechter Manieren bezichtigt werden wolle.

Über diese „sozialen Kompetenzen“ hinaus zählt die gelernte Bankkauffrau, die in Pappenheim aufwuchs und auch schon als Landwirtin und EU-Projektassistentin gearbeitet hat, aber auch einige Tugenden auf, die man gemeinhin zur „guten Kinderstube“ zählt: etwa die bereits erwähnten Tischmanieren: „Wenn jemand bei einem Geschäftsessen isst wie ein Schwein, wird er den Job nicht bekommen, um den er sich bewirbt“, erklärt von der Recke in erfrischender Deutlichkeit.

Überhaupt, so ist sie überzeugt, „brauchen wir gewisse Umgangsformen“. In ihrer Familie wurde beispielsweise immer am Tisch gegessen, und das konsequent ohne Handy und auch erst dann, wenn alle dort versammelt waren. Sie habe es geschätzt, wenn ihr eines der Kinder die Tür aufgehalten habe, und sie empfinde es durchaus auch als angenehm, wenn Männer zur Begrüßung aufstehen, wenn eine Frau ins Zimmer kommt.

Als Ombudsfrau für die auf der Wülzburg untergebrachten minderjährigen Flüchtlinge sei sie von deren Umgangsformen immer wieder angenehm überrascht: „Die sind total höflich“, sagt sie. Als sie neulich einige von ihnen eingeladen habe, „haben sie mir sogar Blumen mitgebracht“. Das sei, sagt sie bedauernd, beileibe nicht mehr selbstverständlich.

Den Flüchtlingen sei auch eine weitere Tugend sehr wichtig, auf die Raily von der Recke ebenfalls gesteigerten Wert legt: Körperhygiene und ordentliche Kleidung. Und sie erinnert sich an einen „Tag der offenen Tür“ auf der Wülzburg, zu dem sich die jungen Männer aufwendig zurechtgemacht hätten – und so den Besuchern signalisierten: „Der Gast wird bei uns geschätzt.“

„Ordentlich und sauber“

Mit ihrem Plädoyer für eine gepflegte äußere Erscheinung wolle sie keineswegs einem ungehemmten Marken-Fetischismus das Wort reden, betont von der Recke: „Es muss nicht aufgebrezelt sein und auch nicht immer das Neueste – aber eben ordentlich und sauber.“

Und da stellt sie gerade bei älteren Deutschen, die gerne die Verrohung der Sitten und das schlechte Benehmen der Jungen beklagten, doch immer mal wieder gewisse Defizite fest: „In Italien sind die Senioren durchweg gut gekleidet; bei uns laufen schon viele im Trainingsanzug draußen herum“, kritisiert sie. Und angesprochen auf die Aussage des Modeschöpfers Karl Lagerfeld, dass, wer dies tue, die Kontrolle über sein Leben verloren habe, sagt sie nach kurzem Nachdenken: „Ja, da ist schon was dran.“

Für Eltern, denen die Umgangsformen ihrer Kinder am Herzen liegen, hat von der Recke einige ganz zentrale Ratschläge, die auch aus der Erfahrung mit vier eigenen Kindern und mehreren Enkeln gespeist sind: Kinder brauchen Zeit, Aufmerksamkeit, Geduld und Respekt – aber auch klare Grenzen, zählt sie auf. Und mahnt die Erwachsenen, damit nicht zu lange zu warten: „Was bis 14 nicht hinerzogen ist, kriegt man nicht mehr drauf.“ Dann ist auch die Knigge-Kennerin mit ihren VHS-Kursen in Gunzenhausen machtlos.