Achtung, hier kommt der Sound-Tsunami

15.8.2019, 10:17 Uhr

Besucht man den 68-jährigen Steven Van Zandt, seit 1975 (mit Unterbrechung) Gitarrist der E-Street Band und seit 1982 auch solo unterwegs, auf seiner Tournee zum aktuellen Album "Summer of Sorcery" im gut gefüllten Serenadenhof, dann bekommt der Begriff "Klangwand" eine ganz neue, greifbare Bedeutung: Seine 15-köpfigen Disciples of Soul, herrlich anzuschauen in ihrem lila-blumigen Hippie-Fummel, lassen ohne Vorwarnung einen wahren Sound-Tsunami auf das wehrlose Publikum los.

Schlagzeug, Perkussion, Bass, zwei Gitarren, zwei Keyboards und fünf Bläser sind dabei, sowie drei Backgroundsängerinnen, die mit bunten Schirmen wie bei einer New-Orleans-Straßenparade auf die Bühne tanzen, um mit souliger Inbrunst das Motto des Abends zu verkünden: "Harmony, Unity, Communion!"

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Kratzende Stimme

Der Meister, der mit seinem obligatorischen Bandana, seinen wehenden Halstüchern, Ketten und Klunkern immer mehr einer alten Gypsy-Wahrsagerin gleicht, tummelt sich verschmitzt grinsend in diesem Tohuwabohu und feiert mit blutender, kratzender Stimme die Vorzüge direkter, analoger Gemeinschaft: "Baby put the camera down/ shut off the phone if you know how/ only way to take you higher/ let the music get inside ya. . ."

Während Little Steven und seine umwerfend gut eingespielte Riesenband vor zwei Jahren in Regensburg noch auf alte Songs zurückgriffen, spielen sie diesmal vornehmlich neue Stücke: Das eröffnende "Communion" klingt mit seinen Rhythmuswechseln wie eine Mischung aus Motown-Soul, Seventies-Funk und Garagenrock, "Party Mambo" ist eine ansteckende Salsa-Übung, während das herrlich leichtfüßige "Love Again" und das sehnsüchtige "A World Of Our Own" den Girl-Group-Soul der frühen 60er beschwören.

Dazwischen präsentiert er mit "Little Girl So Fine", "Trapped Again" und "Love On The Wrong Side Of Town" einige Songs, die er in jungen Jahren mit Springsteen für Southside Johnny geschrieben hatte und greift auch öfter mal auf Stücke seiner politischen Phase in den achtziger Jahren zurück: Den Weltbürger-Reggae "I Am Patriot" widmet er aus aktuellem Anlass Greta Thunberg, die Hits "Bitter Fruit" und "Sun City" werden ihrem sozialkritischen Inhalt zum Trotz zur großen Latin-Fiesta.

Problematischer Sound

Dass die allgemeine Euphorie auf und vor der Bühne nicht ausnahmslos das gesamte Auditorium erfasst, liegt wohl weniger an Mr. Van Zandts limitierten stimmlichen Möglichkeiten als am problematischen Sound: Eine 15-köpfige Band, die so gut wie immer volle Kanne auf die Wurst haut, ist für jeden Tontechniker eine enorme Herausforderung.

Was beim letzten Gastspiel in Regensburg noch bestens klappte, stößt im Serenadenhof an seine Grenzen: Nach drei Stücken klingeln bereits die Ohren und man fragt sich, ob das Ganze in etwas abgespeckter Besetzung nicht doch wirkungsvoller wäre. Doch das ist eine fränkische Sichtweise, ganz bestimmt keine amerikanische. . .