Der Anfang vom Ende einer Ära

5.10.2015, 19:42 Uhr

Es war abzusehen: Spätestens als bekannt wurde, dass Alexander Shelley zu seinen Nürnberger Aufgaben auch noch zum Musikdirektor des Nationalen Orchesters in der kanadischen Hauptstadt Ottawa und als erster Gastdirigent des Royal Philharmonic Orchestra in London berufen wurde, fragte man sich, wann schläft der 36-Jährige eigentlich. Denn daneben dirigierte er ja munter weiter. Allein in diesem Jahr gab er sein Debüt bei der Tschechischen Philharmonie in Prag, beim Orchestre de la Suisse Romande in Genf und bei der Camerata Salzburg.

„Wir hätten Alexander nur noch dreimal pro Saison einfliegen lassen können und das war uns zu wenig“, begründet Intendant Lucius A. Hemmer die Trennung. Was die Nachfolge-Findung bei den Nürnberger Symphonikern anlangt, erklärte Hemmer auf Anfrage, dass es keine Findungskommission geben werde. Vielmehr hätten er und der Vorstand des Trägervereins „Fränkisches Landesorchester“ sich darauf geeinigt, in den nächsten zwei Spielzeiten geeignete Kandidatinnen und Kandidaten einzuladen und bei Interesse gezielt anzusprechen.

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Abschied beim „Klassik Open Air“

Es sei mit Alexander Shelley allerdings fest vereinbart worden, dass er noch das „Klassik Open Air“ im August 2017 dirigieren wird. Dieses Event im Luitpoldhain wäre dann das Abschiedskonzert für den Briten.

Shelley dirigierte am vergangenen Sonntag ein Programm unter der Schlagzeile „Norden? Süden!“ Als Konzertmotto ist das ehrlich gesagt nicht besonders einfallsreich. Aber es gibt noch seltsamere im Spielzeitheft zum 70-jährigen Bestehen der Nürnberger Symphoniker. In Comics drücken Fragezeichen in Sprech- oder Gedankenblasen fast immer Unsicherheit, in Kombination mit Ausrufezeichen sogar Verwunderung aus.

Wie also kommt man nun geschickt von Grieg zu Elgar, ohne dass sich das Publikum allzu sehr wundert? Grieg stammt aus dem hohen Norden und Elgar lebte einst in England. Weil das aber noch nicht so ganz im Süden ist, nimmt man einfach eine Komposition von Elgar aus dem Jahr 1904, in dem er seine Urlaubseindrücke von der italienischen Riviera schildert.

Immerhin wird seine Konzertouvertüre op. 50 „In the South“ vom Orchester in diesem ersten Sonntagskonzert erstmals aufgeführt. Und schon ist das Programm auch fast fertig gestrickt. Von Edvard Grieg eignet sich neben der frühen und nicht ganz zu Unrecht selten aufgeführten, weil unergiebigen Konzertouvertüre op.11 am Besten noch sein einziges Instrumentalkonzert, das „Klavierkonzert a-Moll op. 16“, denn da kann man eigentlich nicht viel falsch machen.

Es ist eines der weniger schweren Konzerte, genial gesetzt vom 25-jährigen Grieg mit lyrisch-genrehaftem Charakter und wunderbar klangschwelgerisch ausmusizierten Passagen wie etwa dem Beginn des Adagios. Der Norweger wusste aber ganz genau, wie er Beifall erntende Effekte kombiniert: Streichertremoli in hoher Lage, Bläserakkorde, die diese an Höhe noch überbieten, auftrumpfende Fanfarenklänge der Blechbläser, Paukenwirbel und rauschende Klavierarpeggien.

Neuer Flügel

Es kracht am Schluss also so richtig und alle sind begeistert. Ob es am neuen Meistersingerhallen-Steinway oder der Solistin Enrica Ciccarelli selbst liegt lässt sich nur schwer sagen, denn der Klang des Instruments ist mal frisch und brillant, im nächsten Moment dann aber irgendwie wieder ungehobelt und spröde. Das ändert sich auch nicht bei der Zugabe („Prélude für die linke Hand“ von Alexander Skrjabin) und so wird man wohl noch ein wenig warten müssen, bis der Flügel richtig eingespielt ist.

Der „Militärmarsch G-Dur“ (op. 39 Nr. 4) ist zwar nicht der bekannteste von Edward Elgar aber trotzdem irgendwie auch recht witzig. Die bereits erwähnte, als Konzertouvertüre verpackte Urlaubsgeschichte gibt es am Schluss hinten drauf, bevor Alexander Shelley ganz am Ende noch „sein Publikum“ begrüßt und mit dem mittlerweile obligatorischen Blumenstrauß-Weitwurf erneut Nähe sucht.

Nächstes Symphoniker-Konzert: 10. Oktober, Lorenzo Viotti dirigiert Ravel, Guilmant und Chausson, Solist: Bernhard Buttmann, Orgel. Alexander Shelley wird in Nürnberg das nächste Mal beim Sonderkonzert „Alexander Shelley meets John Davis“ am Samstag, 21. November, um 20 Uhr in der Meistersingerhalle zu erleben sein. Karten: Tel. 09 11 / 4 74 01 54.