Dialekt ist ein Geschenk! Tatort-Regisseur Färberböck im Interview

15.4.2018, 10:21 Uhr

"Franken sind anders als zum Beispiel Oberbayern und die wieder anders als die Schwaben und die Rheinländer", sagt Max Färberböck im Interview mit der NZ. © Günter Distler

Herr Färberböck, momentan scheint es Einheitsfarben für die Filme der Reihe "Tatort" zu geben: bläulich, matt, stählern. Auch "Ich töte niemand" ist in diesen Farben gehalten. Haben Sie nicht Lust, mal wieder einen knallbunten "Tatort" zu drehen?

Max Färberböck: Doch, immer, aber wenn sich eine Geschichte woanders hinbewegt, folge ich ihr, egal welche Farbe. Außerdem sehen unsere Filme mittlerweile auf jedem Monitor anders aus. Wenn Sie beispielsweise in der Tonmischung vier Bildschirme haben, erhalten Sie vier grundverschiedene Farbeindrücke. Trotzdem hätte ich wie immer gern den schönen blauen, fränkischen Himmel gehabt, aber der war diesmal eher dunkel, aber dafür dramatisch!

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Bei Ihnen geht es oft um ausweglose Konflikte – in der Gesellschaft, in der Familie. Sie enden grausam. Das ist nichts anders in "Ich töte niemand". Welchen Bezug haben Sie zur antiken Tragödie, die ja von denselben Mechanismen erzählt?

Färberböck: Einen starken! Wir leben in einer anderen Gesellschaft als die Menschen der Antike. Aber die Verstrickungen und Abgründe, die in eine Tragödie führen, sind noch dieselben. Nehmen wir den neuen Nürnberger Fall. Da geht es zum Beispiel um den Missbrauch von Worten wie "Ehre" und "Haltung". Werte, die eigentlich Menschen verbinden, in diesem Fall aber totale Katastrophen auslösen.

Das alles ist tragisch. Wie sind Sie auf den Stoff gekommen?

Färberböck: Ich habe an einem Abend vier verschiedene Nachrichtensendungen gesehen, in denen man beobachten konnte, wie international bedeutende Politiker Werte missbrauchten, um ihre eigennützigen Vorstellungen rücksichtslos durchzusetzen. So entstand die Idee, daraus eine Familientragödie zu entwickeln.

Bisher haben sich die fränkischen Ermittler durch ihre Normalität angenehm von anderen "Tatort"-Kommissaren abgehoben. Sie waren in die Fälle nicht persönlich verwickelt. Diesmal ist das anders. Paula Ringelhahn ist ganz direkt von dem Verbrechen betroffen.

Färberböck: Die beiden Nürnberger Hauptermittler sind warmherzig, dem Leben zugewandter und verletzbar. Keine äußerlich konstruierten Zicken. Nichts. Dennoch verlieren sie in dieser Geschichte an professioneller Distanz und werden ins Räderwerk einer Katastrophe gezogen. Ich finde, das macht sie als Menschen nur überzeugender.

Wenn man die Leidensfähigkeit Ihrer Figuren betrachtet, den schwerblütigen Musikeinsatz, die unerbittliche Geduld Ihrer Kamera, stellt sich die Frage, ob Sie Melancholiker sind.

Färberböck: Immer wieder mal. Das Leben ist ein gigantisches Geschenk. Aber wenn man die vielen Katastrophen im Dasein nicht ausblendet, macht sich langsam Melancholie breit. Das gilt nicht nur für mich. Viele versuchen das mit Coaches oder anderen Techniken zu bearbeiten. Aber die Masse an Traurigkeit wächst.

Beim Franken-"Tatort" muss man vom Dialekt reden. Diesmal sind noch die kleinsten Nebenrollen mit Native-Speakers besetzt. Das ist in den "Tatorten" aus anderen Regionen nicht so. Gibt es Vorgaben, weil die Zuschauer Erwartungen haben?

Färberböck: Nicht die geringsten. Aber wenn ich schon hier bin, interessiere ich mich natürlich für die Menschen, die hier leben. Ich freu’ mich über die Gesichter, die Sprache, ihr Temperament. Auf so ein Geschenk zu verzichten, wär’ ja blöd. Franken sind anders als zum Beispiel Oberbayern und die wieder anders als Schwaben oder Rheinländer. Alle haben verschiedene Temperamente. Deutschland ist an sich schon multikulturell.

Arbeiten Sie denn schon an einem neuen filmischen Projekt in Mundart?

Färberböck: Eigentlich wollte ich eine "Tatort"-Pause einlegen. Aber gerade ist mir eine Geschichte eingefallen. Und die wird hoffentlich wieder in Franken spielen.