Dieter Dorn inszeniert mit leichter Hand Feydeau in Nürnberg

12.5.2019, 18:11 Uhr

Geplant war ja, diese französische Version des ausgefeilten Ehekrachs mit Samuel Becketts "Glückliche Tage" zusammen zu zeigen – auch so eine subtil gestrickte Beziehungstragödien-Komödie. Die Beckett-Erben hatten was dagegen, geblieben ist von dem großen Iren die Idee, die zeternde Gattin festzusetzen in einem bewegungshemmenden Hügel. Bei Beckett ist er aus Erde, im Schauspielhaus ist er von Bühnenbildner Peter Nitzsche in eine Wolke aus graublauer Seide übersetzt, die sich bald effektvoll von der Schlaftrunkenen über die Pappwände der bürgerlichen Wohnung erhebt.

Was folgt, sind grandiose Variationen des Standardspruchs "Du verstehst mich nicht". Ulrike Arnold ist eine aus Selbstüberdruss fiese, mit einem anstrengenden Mann geschlagene Frau, die diesem Buchhalter-Gatten die kleine Alltagsflucht zum Künstlerball nicht gönnen will. Gemein ist sie, wenn sie einen leeren Rahmen als das schönste Bild des Hobbymalers bezeichnet, genervt ist sie von seinem albernen Aufzug in Sonnenkönig-Tracht. Aber auch gedemütigt, wenn er ihren Busen mit einem Kleiderbügel vergleicht, wo er doch gerade von den üppigen Brüsten eines Modells geschwärmt hat.

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Georges Feydeau hat die Fallstricke des Ehelebens zielgenau ausgelegt, Einigkeit oder Innigkeit können da nicht aufkommen. Georg Holzer hat die Dialoge zeitgemäß-treffend übersetzt, da fallen dann schon Sätze wie "Ich bin nicht deine Sexpuppe" – was Ulrike Arnold mit göttlicher Mimik unterstreicht. Sie spielt diese Yvonne mit temperamentvoller Raffinesse und unendlich vielen Liege-Varianten fast durchgehend im Bett.

Angst im Gedärm

Wer meint, hier stehe der Mann unterm Pantoffel, der hat den wunderbar zwischen Niedergeschlagenheit und Aufbrausen changierenden Thomas Nunner nicht gesehen: Als Lucien ist er ein Möchtegern-Macho mit Angst im Gedärm, vor seinen Gläubigern, vor Yvonnes messerscharfen Attacken, sogar vor der eigenen Courage. Die beschwört er mit dem Kopf unter der Decke, er braucht Kamillentee für den grummelnden Magen und kann nicht mal kotzen, wenn er möchte.

Wenn die beiden Bediensteten ins Spiel kommen (Süheyla Ünlü und Yascha Finn Nolting sind die etwas dämlichen Hofschranzen in diesem Papp-Versailles), mimt Lucien den herrischen Strippenzieher. Die eigenen Fehler sind immer die der anderen, mal will er Hilfe, mal sollen alle verschwinden. Madame ist nicht besser, vor allem, als sie erfährt, dass ihre Mutter plötzlich gestorben ist. Während Lucien mit dem erhofften Erbe schon vom leichteren Leben träumt, sucht sie nach großen Gesten und dem passenden Kostüm für die Begegnung mit der Toten.

Spätes Debüt

Dieter Dorn, den Schauspielchef Jan Philipp Gloger mit 83 Jahren zu seinem Nürnberg-Debüt überredet hat, inszeniert das mit souveräner Leichtigkeit. Doch ab dem Moment, wo sich die Beziehungskrise zur Vierer-Konstellation mit den Dienstboten auswächst, fehlt etwas der Fokus. Das Gegengewicht der Winnie aus Becketts Stück, die in all ihrer Trübsal wild zum Glück entschlossen ist, hätte Yvonne gutgetan, die sich so gern im Unglück suhlt. Der große Beifall galt vor allem den Darstellern.

Aufführungen am 16., 18., 23., 25. Mai, Karten-Tel.: 09 11/ 2 16 27 77.