Ein buntes Programm: Geschichten von Liebe und Gewalt

15.3.2011, 16:12 Uhr

Insgesamt 49 Filme geben bis 27. März Einblick in das aktuelle Kinoschaffen beider Länder. Einige davon haben wir uns vorab angeschaut.

„The Green Wave“

Im Frühsommer 2009 schien der Traum vom Regierungswechsel im Iran zum Greifen nah. Zehntausende von Menschen schlossen sich der „grünen Bewegung“ an und demonstrierten für den Präsidentschaftskandidaten Hussein Mussawi. Doch nach dem dreist gefälschten Wahlsieg Ahmadinedschads wurde die friedliche Revolution brutal niedergeknüppelt.

Regisseur Ali Samadi Ahadi konnte „The Green Wave“, in Nürnberg mit dem Menschenrechts-Filmpreis ausgezeichnet, natürlich nicht vor Ort drehen. So hat er aus Handyfotos und Facebook-Einträgen, Interviews mit im Exil lebenden Iranern und animierten Bildern eine aufrüttelnde Doku-Collage geschaffen. Wenn ein Augenzeuge erzählt, wie 200 Menschen in einer Zelle mit Schlägen malträtiert wurden bis einige starben, ist das, wie viele Szenen, schwer auszuhalten.

Dass Europa tatenlos zuschaut und am Iran nur wegen des Atomkonflikts und des Öls interessiert sei, ist die bittere Wahrheit, die der Jurist Payam Akhavan ausspricht. Er nennt die grüne Revolution aber auch „eine Flutwelle, die den ganzen Mittleren Osten erfassen wird“. Die Protestbewegungen in den islamischen Ländern geben ihm bereits Recht. (21./26.3.).

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„Unsere große Verzweiflung“

Auf Bitten eines Freundes nehmen Cetin und Ender für einige Monate dessen Schwester Nihal in ihre Wohngemeinschaft auf. Die junge Frau ist nach dem tödlichen Autounfall ihrer Eltern traumatisiert, spricht und isst kaum, doch ganz allmählich gewinnt sie Zutrauen zu dem bücherliebenden Ender und dem pragmatischen Nihal. Natürlich kommt es, wie es kommen muss: Beide verlieben sich in Nihal, doch das gestehen sich die Männer nur gegenseitig.

Auf federleichte Weise erzählt Regisseur Seyfi Teoman eine platonische menage à trois, die von so viel zarter Liebe und großer Freundschaft durchtränkt ist, dass einem sogar das wintertriste Ankara als zauberhafter Ort erscheint. (24./26.3.)

„Kagit (Papier)“

Streikende Arbeiter, die mit wehenden Fahnen für ihr Recht kämpfen – so sieht der Film aus, den der junge Emrah drehen möchte. Doch in den 70er Jahren braucht man dafür in der Türkei die Genehmigung des Staates. Und weil die verbissene Bürokratin „Nein“ sagt, wird Emrah auf einen verzweifelten Kreuzzug für seine Produktion geschickt. Hinzu kommt, dass er seinem strengen Vater vorgaukeln muss, er würde das viele Geld in eine Apotheke investieren. Doch die Mutter verbündet sich mit ihm in seinem Kampf für die Menschen, die Emrah wichtiger sind als Papier...

„Kagit“ ist plakativ, witzig und bissig. Regisseur Sinan Cetin – seit 30 Jahren eine feste Größe in der türkischen Kinoszene – bringt in dem autobiografisch gefärbten Film die (manchmal recht blinde) Wut und die Experimentierfreude eines unterdrückten Jungfilmers auf die Leinwand. Sehenswert. (24./25.3.)pet

„Luks Glück“

Gerade noch war Luk einfach nur ein junger Mann, der planlos rumhängt, als seine Familie im Lotto gewinnt. Und sofort beginnen die Probleme: Die Tippgemeinschaft muss sich einigen, was sie mit dem Geld machen will. Für die Eltern ist klar: Zurück in die Türkei und ein Hotel kaufen, das die Söhne übernehmen können. Doch Luk hat andere Pläne: Er will seine Angebetete, die Hobbysängerin Gül beeindrucken, indem er ihr eine Plattenproduktion samt Videodreh in der Wüste finanziert. Chaos ist programmiert, nicht nur weil Luk keine Ahnung vom Musikbusiness hat, sondern auch weil jedes Familienmitglied spätestens nach Ankunft in der Türkei ganz eigene Pläne verfolgt.

„Luks Glück“ von Ayse Polat ist eine herzerwärmende Komödie mit Momenten von Tragik und einem Hauch Poesie. (23./25.3.)pet

„Unter dir die Stadt“

Christoph Hochhäuslers verrätselte Banker-Story spielt in den Führungsetagen hoch über Frankfurt. Dort geht es naturgemäß um Machtspiele und Strategien. Auch im doppelten Sinn: Roland Cordes ist zum Banker des Jahres gewählt worden, wenn im Vorstand seines Hauses brisante Deals vorbereitet werden, ist seine Meinung maßgeblich. Dieses Machtgefüge spiegelt die kühl inszenierte Geschichte in Rolands Begehrlichkeiten gegenüber Svenja, der Frau eines ehrgeizigen Angestellten. Egal, ob es um undurchsichtige Bankgeschäfte oder Lustgewinn geht: Der Mann ist Stratege und beschafft sich, was er will.

Diese Parallele ist auch schon die einzige findige Pointe des Films, der ansonsten viele Rätsel aufgibt. Hochhäusler stiftet mehr Verwirrung, als dass er den Zuschauer zu berühren vermag. (22./25.3.)bin

„Vavien“

Die türkische Provinzposse um den versuchten Mord eines Elektrikers an seiner hingebungsvollen Gattin ist vermutlich auch in ihrem Ursprungsland erklärungsbedürftig. Warum sollte ein vor der Pleite stehender Kotzbrocken, der erfolglos einer Barsängerin nachsteigt, Frau und Sohn wie Dreck behandelt und seine Gattin schließlich aus dem Familienvan in eine Schlucht katapultiert, um an ihren Sparstrumpf zu kommen – warum sollte so ein Ekel ein Happy End erleben? Sollte die märchenhafte Rettung der Gattin und die Läuterung ihres geliebten Machos spaßig gemeint sein, dann wäre das Ganze sogar noch eine Spur rätselhafter. (20./21./27.3.)wu

„Der Albaner“

In den albanischen Bergen, dem Heimatland der Blutrache, ist eine Heirat eine kostspielige Angelegenheit. Besonders wenn man, wie der junge Bauernsohn Arben, seine Geliebte vom Nachbarhof bereits geschwängert hat. 10000 Euro soll der Unglückliche dem Schwiegervater in spe überreichen, bevor das Baby zur Welt kommt. Also ab nach Deutschland, Geld verdienen.

Johannes Naber, der für seinen Film den Max-Ophüls-Preis erhielt, erzählt in düsteren Farben aus der Welt bettelarmer Migranten in Berlin, die fast zwangsläufig kriminell werden. Arben, der für seinen großen Reibach der Liebe wegen kaum Zeit hat, wird quasi im Handumdrehen zum Menschenhändler und Mörder. Eine finstere Karriere. (23./24.3.)wu

Festivalzentrum ist das Nürnberger Künstlerhaus, Königstr. 93; Karten-Tel.: 0911/2314000; alle Programm-Infos im Internet unter: www.fftd.net