Ein fränkischer Klassiker

16.11.2019, 15:31 Uhr

Seit einem halben Jahrhundert tritt Fitzgerald Kusz regelmäßig den Beweis dafür an, dass die fränkische Mundart eine Literatursprache sein kann – genauso wie etwa Serbokroatisch, Katalanisch, Suaheli oder Schwyzerdütsch. Es freut ihn, dass seine Texte in englischen, italienischen und türkischen Übersetzungen vorliegen: Franken ist überall.

Angefangen hat alles vor 50 Jahren, 1969. Die fränkische Mundartdichtung war damals fest in den Händen traditionsbewusster Heimatdichter, aber die Literaturszene im Gefolge der 68er-Bewegung heftig in Bewegung. Damals schrieb Fitzgerald Kusz, der mit Vornamen eigentlich Rüdiger heißt und seinen Spitznamen einer gewissen Ähnlichkeit mit dem ehemaligen US-Präsidenten John F. Kennedy verdankt, sein erstes Gedicht im Dialekt – aus Frust über eine Freundin, die ihn versetzt hatte. Mit Mundartdichtung hatte er bis dato überhaupt nichts am Hut gehabt.

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Dem Herzen Luft machen

Der verschmähte Liebhaber, der in Erlangen Englisch und Deutsch studierte, machte seinem Herzen Luft und hämmerte eine "Schimpfrede" auf seine Ex in die Tasten seiner alten Schreibmaschine: "suä ruudzbridschn suä elendichä..." Unbewusst bestätigte er damit die Tatsache, dass sich (positive und negative) Emotionen im Dialekt besonders gut ausdrücken lassen.

Kusz, geboren am 17. November 1944, ist zweisprachig im Nürnberger Land aufgewachsen. Der Vater war Berliner, die Mutter Fränkin. Das hat ihn hellhörig gemacht für die verschiedenen Klangfarben und Spielarten der Sprache. Während des Studiums in politisch bewegten Zeiten konnte er sich dann eingehender mit der sozialen Dimension von Alltags- und Hochsprache beschäftigen. Und er beherzigte von Anfang an eine alte Dichterregel: Dem Volk aufs Maul schauen, aber nicht nach dem Mund reden.

Einen seiner ersten Auftritte als Dichter hatte Fitzgerald Kusz schon 1967 mit Pop-Lyrik im Erlanger Redoutensaal. Ein gewisser Peter Handke war mit von der Partie, die Nürnberger Rockbands Improved Sound Ltd. und The Ramrods lieferten die Musik zu dem Happening. Heute amüsiert sich Kusz darüber, dass er damals neben einem späteren Literatur-Nobelpreisträger auf der Bühne stand. Zum Nobelpreis hat es bei ihm zwar nicht gereicht, dafür ist er schon zu Lebzeiten ein vielfach ausgezeichneter fränkischer Klassiker. Das schafft ein Handke nie! Kusz ließ sich vom späten Bert Brecht, von den Sprachspielereien Ernst Jandls und der Wiener Gruppe (H. C. Artmann, Friedrich Achleitner, Gerhard Rühm) inspirieren, aber auch von anglo-amerikanischen Lyrikern wie William Carlos Williams. Er schrieb sozialkritische Gedichte, verwendete die Form des japanischen Haikus und entdeckte den schwarzen Blues. Doch bei ihm waren formale Experimente nie Selbstzweck, sondern dienten allein dazu, die (soziale und regionale) Beschränktheit der Dialektdichtung aufzuheben. Darin besteht seine Dialektik.

Gleich mit seinem ersten Theaterstück gelang Kusz 1976 ein langlebiger Bühnenrenner: Die Komödie "Schweig, Bub!" wurde in viele Dialekte übersetzt und wird bis heute gerne gespielt. Doch obwohl er viel fürs Theater geschrieben hat, ist sein eigentliches Metier die Lyrik geblieben. Neben der Vorliebe für die kurze Form gehört vor allem ein trockener Humor und die Begeisterung für Blues und Rockmusik zu den Markenzeichen von Kusz. In die fränkische Literaturgeschichte wird er auch als großer Humorist eingehen, wie sein Geistesverwandter Jean Paul.

Seit langem ist der Dialektautor mit dem musikalischen Programm "Blues & Kusz" landauf, landab unterwegs. Immer dabei ist sein Langzeitgefährte Klaus Brandl an der Gitarre. Auf dem neuen Album gibt es für jeden von beiden eine passende Nummer: "Brandls Weltschmerz" und "Lullaby For Rüdiger K.". Auch als "Geburtstagsständchen für Fitz" zu trällern. . .

Aktuelle CD: Fitzgeradl Kusz/Klaus Brandl, "Stadt. Land. Kusz" (Eigenverlag)

Die Medienwerkstatt Franken wiederholt am 17. 11., um 19, 21 und 23 Uhr, auf Franken Fernsehen das Filmporträt von Fitzgerald Kusz "schäi is schöner als schee".