"Ich verdanke Nürnberg die Schwimmkunst"

14.10.2019, 12:24 Uhr

Herr Zischler, was sagen Sie denn zum Nobelpreis für Peter Handke? Sie haben doch in seinem Film "Die linkshändige Frau" mitgespielt. . .

Das ist großartig und hat mich sehr gefreut. Er war ja schon lange immer wieder als Kandidat im Gespräch. Ein schöner Zufall: Ich habe gerade ein neues Stück von ihm gelesen, das nächstes Jahr herauskommt und in dem ich eine Rolle spielen soll.

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Jetzt haben Sie neben ihren vielen Berufen...

...Moment mal: Nicht "Berufe", sondern "Metiers" (lacht)...

 

...also gut, neben ihren vielen Metiers noch ein neues als Kurator einer Filmreihe. Wie ist es denn dazu gekommen?

Naja, heute nennt sich fast jeder Kurator, mir ist das Wort "Zusammensteller" lieber. Tatsächlich ist das eine Premiere für mich. Der Kontakt nach Nürnberg ergab sich letztes Jahr beim Stummfilmfestival.

 

Haben Sie eigentlich eine besondere Beziehung zu Ihrem Geburtsort?

Also das ist sehr schwierig. Meine Mutter ist hier geboren und hat mich als Kind durch die Stadt geführt. Nürnberg war die nächste größere Stadt und es gab hier viele Verwandte, ich bin ja in Langenaltheim im Altmühltal aufgewachsen. Ich fand die Besuche im kriegszerstörten Nürnberg sehr bedrückend. Aber immerhin habe ich im wunderschönen Volksbad am Plärrer schwimmen gelernt. Mein Vater hat mich da hingebracht. Nach 25 Stunden im Gummiring konnte ich endlich frei schwimmen. Ich verdanke Nürnberg die Schwimmkunst (lacht).

 

Stichwort "Carte Blanche": Sie hatten bei der Filmauswahl freie Hand. Nach welchen Kriterien haben Sie ausgesucht?

Es gibt kein ernstzunehmendes Kriterium. Es sind Filme, die ich sehr schätze, Filme, die ich gerne noch einmal sehe und gerne auch anderen zeigen möchte. Im Englischen gibt es den Begriff "Re-Reading", also Literatur wiederlesen: Man versucht, das was man schon kennt, noch einmal aufzuarbeiten. Bei mir heißt das "Re-Visiting". Die Erinnerung an Filme ist etwas Bizarres, ähnlich wie bei Träumen. Im Grunde behält man nur bestimmte Bilder in Erinnerung.

 

Wie heißen Ihre absoluten Lieblingsfilme?

"Mouchette" von Robert Bresson und der Stummfilm "The Cameraman" mit Buster Keaton.

 

Welcher der Filme, in denen sie mitgewirkt haben, ist für Sie besonders wichtig?

Aus mehreren Gründen ist das "Allemagne Neuf Zéro" von Jean-Luc Godard, weil ich da in mehrfacher Weise involviert war. Als Reiseleiter, Literatur-Stichwortgeber und Schauspieler.

 

Sie waren eine prägende Figur des deutschen Autorenkinos. Was halten sie denn vom aktuellen deutschen Kino?

Es gibt da eine erstaunliche Entwicklung. Zum Beispiel finde ich "Drei Tage in Quiberon" über Romy Schneider einen ganz erstaunlichen Film, der mich tief beeindruckt hat. Dann fand ich Dietrich Brüggemanns Film "Kreuzweg", in dem ich mitgespielt habe, ganz ungewöhnlich. Das Autorenkino bestand ja eigentlich nur aus einer Handvoll Namen, dazu Fassbinder als singulärer Avantgardist. Die junge Generation ist, glaube ich, viel durchtrainierter und wagemutiger. Ich habe das Gefühl, dass da ein neues "nationales" Kino entsteht – trotz aller Schwierigkeiten, mit denen junge Filmemacher zu kämpfen haben.

 

Ist das deutsche Kino besser als sein Ruf?

Auf jeden Fall. Ändern müsste sich nur die Filmförderung. Die Aufgabe wäre es, die Produktionsmittel besser zu verteilen. Es geht da ja um sehr, sehr viel Geld. Das Geld ist da, muss aber unbürokratischer und risikobereiter verteilt werden. Die Entwicklungszeit für Filme, die nicht auf Quote schielen, sind hierzulande oft so deprimierend lang, dass man verzweifeln könnte.

 

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, mit wem würden Sie noch gerne einen Film drehen?

Ich hätte gern mit Bresson gedreht. (Lacht.) Aber das ist unmöglich, nicht nur weil er tot ist. Er hat immer nur mit Anfängern gedreht.