Interview mit Jazztrompeter Till Brönner

18.3.2011, 00:00 Uhr



Herr Brönner, Ihre CDs stehen normalerweise im Jazz-Regal. Auf dem neuen Album „At The End Of The Day“ (Universal) interpretieren Sie jedoch Pop-Songs — von den Beatles, David Bowie, Human League, The Killers oder Seals & Croft. Wie wichtig sind Ihnen Einflüsse anderer Stilrichtungen?

Till Brönner: Erst einmal stelle ich zur Debatte, ob es überhaupt ein Pop-Album oder irgendetwas anderes ist. Mit Begriffen wie Pop, Jazz, Klassik oder Soul kann ich gar nicht so viel anfangen. Crossover ist mittlerweile mein Hassbegriff Nummer eins. Natürlich gibt es Stilrichtungen, die mich unweigerlich beeinflussen, weil ich ihnen ausgesetzt bin. Ich versuche meine Ohren immer offen für Neues zu haben.

Nach welchen Kriterien haben Sie die Songs ausgewählt?

Brönner: Bei dieser Platte habe ich mich gefragt, was „At the End of the Day“, also unterm Strich, übrig bleibt. Was fände ich gut, wenn ich nur noch einen Tag Musik hören dürfte. Um herauszufinden, welche Stücke die Qualität haben, zu Klassikern zu werden, muss man oft lange warten. Mit dieser Platte bin ich Jahrhunderte bzw. Jahrzehnte zurückgegangen und bei Leuten wie Bach und Bowie gelandet. Mit der Killers-Nummer „Human“ stelle ich eine These auf. Ich glaube, sie hat das Zeug zum Klassiker.

Findet man die gecoverten Titel in Ihrer privaten Plattensammlung?

Brönner: Ich bin für dieses Album intensiv in Klausur gegangen. Auch im Studio haben wir noch Werke aus den unterschiedlichsten Epochen gesichtet. Vieles, was wir aufgenommen haben, wurde wieder verworfen.

Die Improvisation spielt auf Ihrem Album keine besondere Rolle, oder?

Brönner: Das würde ich so nicht sagen. Wir haben alles live eingespielt und es gibt viele Situationen, die ich so nicht wiederholen könnte. Natürlich ist es kein Improvisations-Jazz-Album. Wichtig ist, wann und wie man Improvisation einsetzt und nicht ob. Ein Konzept muss schlüssig sein. Eitelkeit auf meinem Instrument ist eine Sünde. Bei meinen Konzerten im kommenden Jahr wird dann wieder weit mehr improvisiert werden.

Einer Ihrer Helden ist Miles Davis, wenn es um die Trompete geht. Gibt es auch andere Instrumentalisten, die Sie beeinflusst haben?

Brönner: Ich denke, jeder Trompeter muss von Miles Davis beeinflusst sein. Charlie Parker war für mich aber noch wichtiger. Als ich ihn zum ersten Mal hörte, verwandelte sich für mich die Welt gewissermaßen von Schwarzweiß in Bunt. Aber auch Blues-Gitarristen wie John Lee Hooker und Stevie Ray Vaughn sind eine Inspiration gewesen. Sogar Herbert Grönemeyer hat mich in den 80ern beeinflusst, obwohl man das heute auf meinen Platten nicht hört.

Hören Sie sich gern Sänger an, um daraus etwas zu ziehen – etwa wie Sie eine Melodie phrasieren?

Brönner: Auf jeden Fall! Eine Stimme ist unbestechlich. Sie bleibt bei aller Ausbildung ein Mysterium. Deshalb sind einige Leute prädestiniert, eine fantastische Leadstimme zu haben und andere nur eine Stimme.

In Ihrem Buch „Talking Jazz“ untersuchen Sie das Vorurteil, Jazz sei zu intellektuell. Mit welchem Ergebnis?

Brönner: Jazz darf ruhig intellektuell sein. Aber er ist mehr als das. Es gibt auch eine unterhaltende, sehr erfolgreiche und breitenkompatible Komponente im Jazz. Jazz ist die Musik, die es vor dem Pop gab. Ich empfinde den Umgang mit ihm als ungelenk. Das versuche ich auf halbwegs persönliche Weise im Buch widerzuspiegeln. Wenn man den Jazz erfolgreicher machen möchte, muss man das Gros der Menschen betrachten, statt immer nur sauer zu sein, dass viele keinen Zugang dazu haben. Für Jazz braucht man eine gewisse Vorbildung. Aber je öfter man ihn hört, desto mehr weiß man ihn zu schätzen.

2006 nahmen Sie ein Album mit Carla Bruni als Gastsängerin auf, die heute Frankreichs First Lady ist. Haben Sie noch ihre Telefonnummer?

Brönner: Nein, die vom Elysée-Palast habe ich nicht (lacht). Diese Zusammenarbeit war jedenfalls äußerst angenehm. Carla Bruni ist der Kunst sehr zugetan. Wir hatten einen tollen Tag in Paris. Ich bin gespannt, wie sich ihre musikalische Karriere weiterentwickelt. Carla Bruni ist immer für eine Überraschung gut.