Klezmer Festival: Spielfreude statt Krisenstimmung

9.3.2020, 10:06 Uhr

Es kann, wenn auch mit Einschränkungen. Und um ein vielleicht etwas voreiliges Fazit zu wagen: Die Klezmer-Gemeinde lässt sich die Stimmung von keinem Virus verderben. Letztlich mussten vier Veranstaltungen abgesagt werden: Drei Konzerte israelischer Bands, deren Heimatland seine Einreisebestimmungen so verschärft hatte, dass die Musikerinnen und Musiker gezwungen wären, nach ihrer Rückkehr aus dem Risikogebiet Deutschland erst einmal zwei Wochen in Quarantäne zu gehen (worauf verständlicherweise niemand Lust hatte), sowie das "Boarisch-Jiddische Danzl-Hoyz", bei dem das Gesundheitsamt dann doch zu viel direkten Körperkontakt befürchtete.

Kein leichter Einstieg für die neue Festivalleiterin Gerti Köhn, die den Job von Claudia Floritz übernimmt, welche das Festival über viele Jahre äußerst erfolgreich geprägt hat. Die allgegenwärtige Virus-Thematik streift die Kulturamts-Chefin in ihrer Eröffnungsansprache dann auch nur am Rande, wichtiger ist es ihr, vor dem Hintergrund zunehmender antisemitischer Tendenzen zu verstärkter Wachsamkeit und Zivilcourage aufzurufen. Ein Thema, das auch Oberbürgermeister Thomas Jung umtreibt: Seit 20 Jahren habe es in Fürth keinen antisemitischen Übergriff gegeben – aber das könne sich schon morgen ändern.

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Als dann der New Yorker Klarinettist Michael Winograd und seine amerikanisch-deutsche Band "The Honorable Mentshn" die Bühne entern, haben die düsteren Gedanken Pause: Mit Schlagzeug, Kontrabass, Klavier, Akkordeon und einer Bläser-Sektion mit Posaune, Trompete und Saxophon/Klarinette entfacht das Mini-Orchester einen kraftvollen, vitalen, stilistisch sehr vielfältigen Sound, der genauso virtuos, wie rau und ungehobelt daherkommt.

Rumba und Swing

Wenn sich dann die charismatische Sängerin Sasha Lurje für ein paar Songs dazu gesellt, beweist das gut gelaunte Ensemble mit hüftwackelnden Rumba-Rhythmen und Swing, dass es im jiddischen Jazz genauso daheim ist, wie im traditionellen Klezmer. Einziges Manko: Der Mann am Mischpult hat sich vom Überschwang auf der Bühne wohl mitreißen lassen – ein paar Dezibel weniger hätten dem Hörgenuss nur gutgetan.

War das Auftaktkonzert noch wie üblich restlos ausverkauft, so spielten Midwood um 22 Uhr vor deutlich lichteren Stuhlreihen. Was ein bisschen schade ist, denn das, was das ebenfalls in Brooklyn, New York, beheimatete Quartett zu bieten hat, ist ein exemplarisches Beispiel dafür, wie innovativ die jüdische Musikszene noch immer sein kann: Der Geigen-Virtuose Jake Shulman-Ment, der schon mehrfach mit anderen Formationen in Fürth zu Gast war, hat sich viele Jahre lang intensiv mit den musikalischen Traditionen Osteuropas beschäftigt und ist entsprechend tief in der Klezmertradition verwurzelt.

Was er aber nun mit der Sängerin, Flötistin und Drehleier-Spielerin Eleonore Weill, dem E-Gitarristen, Yoshie Fruchter und dem Schlagzeuger Richie Barshey auf die Beine stellt, bringt seine traditionelle Spielweise in einen völlig neuen Kontext. Midwood lassen sphärische, elegische Geigen- und Flöten-Improvisationen auf harsche Gitarrenakkorde und ein ungestümes, lautmalerisches Schlagzeug treffen, sie erschaffen bezaubernde Klangbilder und interagieren dabei wie ein einziger, wabernder, sich ständig verändernder Organismus.

Und als das Publikum, lautstark unterstützt von den nun im Auditorium sitzenden "Honorable Mentshn", dem schüchternen Geiger ein Geburtstagsständchen singt, entwickelt sich das konzentrierte, intensive Konzert zur ausgelassenen Klezmer-Party. "Does anybody like to play some Klezmer-Music?" fragt Jake seine Brooklyner Freunde. Die lassen sich nicht lange bitten. . .