Schluss mit lustig: Der Dresden-"Tatort" hat abgebaut

12.11.2017, 21:45 Uhr

IT-Experte Ingo Mommsen (Leon Ullrich) berichtet Kommissarin Gorniak (Karin Hanczewski) seine neuesten Erkenntnisse über die innerbetrieblichen Intrigen der ALVA. © MDR/Wiedemann & Berg/Gordon Muehle

Die zwei Oberkommissarinnen Henni Sieland (Alwara Höfels) und Karin Gorniak (Karin Hanczewski) haben bislang drei gemeinsame, erfolgreiche Einsätze hinter sich gebracht. Nachdem sie zur Premiere im vergangenen Jahr einen Mord in der Schlagerbranche aufklärten, gingen sie im Anschluss daran einem Delikt im Obdachlosen-Milieu auf den Grund. Zuletzt bekamen es die zwei schlagfertigen Damen mit dem Tod eines Pranksters zu tun. Was alle drei Filme trotz unterschiedlichster Thematik auszeichnete und auf eine gewisse Weise miteinander verband, war der stete und deutlich vernehmbare humoristische Unterton. Vor allem Martin Brambach als schrulliger Dienststellenleiter Michael Schnabel verlieh den Dresdner Fällen bis dato eine skurrile Note.

Doch seit dem herrlich schrägen Auftakt, in dem quasi im Vorbeigehen auch noch schnell die gesamte Schlagerszene gewaltig aufs Korn genommen wurde, hat dieser komödiantische Charakter leider konstant an Dominanz verloren. Mit dem Resultat, dass es sich bei "Auge um Auge" schließlich um eine weitestgehend spaßbefreite Geschichte handelt, in der kaum mehr gelacht wird.

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Wenn zwei sich streiten schlichtet die Dritte

Schnabel ist nicht mehr witzig. Er verwandelt sich zunehmend von einem eher zu belächelnden, konservativen Biedermann in einen fremdenfeindlichen Fiesling, der plötzlich höchst bedenklichen Quatsch vom Stapel lässt. Die beziehungsgeplagte Sieland fungiert derweil als Gegenpol. Sie spendet Schnabels ausrangierten Betriebsrechner an einen syrischen Flüchtling und muss sich dafür vom Chef herablassend als "Gutmensch" bezeichnen lassen. Gewaltig was los also in Dresden. Gorniak steht und geht dazwischen. Sie versucht zu retten, was zu retten ist. Schließlich gilt es ja noch einen Kriminalfall zu lösen.

Eben dieser führt die Ermittler in die Geschäftsräume der Versicherungsfirma ALVA, wo Abteilungsleiter Heiko Gebhardt (Alexander Schubert) am helllichten Tag drei Schüsse vom gegenüberliegenden Gebäude verpasst bekommen hat. Zügig fördern die Kommissare zutage, dass in der ALVA ein mieses Betriebsklima herrscht. Denn unter der Belegschaft wird eifrig gemobbt. Auch nach außen hin gibt die Firma keine gute Figur ab. Das Unternehmen erfindet augenscheinlich immer absurdere Gründe, im Schadensfall nicht zahlen zu müssen. So kommt es, dass viele ehemalige Versicherte erst arbeitsunfähig und schließlich zahlungsunfähig wurden. Die Vermutung liegt nahe, dass es sich beim Scharfschützen um einen Racheengel handelt. Offenbar um einen rauchenden, da auf dem Dach des Plattenbaus auf der anderen Straßenseite zahlreiche abgebrannte Glimmstengel herumliegen.

Schlechte Story, gute Darsteller

Ralf Husmann möchte mit seinem Skript aufzeigen, dass der Kapitalismus auch vor Versicherungen nicht Halt macht und klarmachen, dass die wirklich gefährlichen Leute oft die im Anzug sind, die in Großraumbüros hinter ihren Computern sitzen. Doch braucht es dafür gleich einen "Tatort"? Womöglich hätte es eine Sondersendung bei Anne Will auch getan. Leider ist nämlich vom Esprit der ersten Bücher nicht mehr viel übrig. Vielleicht auch deshalb, weil Regisseurin Maletzky im Drehbuch des Stromberg-Erfinders herumfuhrwerkte und eine eigene Regiefassung erstellte? Schließlich wird eben das explizit im Vorspann erwähnt. Wer weiß.

Sei es drum. Dem vierten Sachsen-"Tatort" fehlt es definitiv an Pfiff. Selbst als sich der Krimi auf der Zielgeraden befindet, offenbart er wenig überraschendes. Wenn überhaupt so funktioniert der Film wegen seiner Akteure. Brambachs souveräne Darstellung des besorgten Biedermanns ist beängstigend real. Und somit genial. Ähnlich gut agieren Höwels und Hanczewski als Schnabels moralische Gegenspielerinnen und harmonierendes Ermittlerinnen-Duo. Außerdem spielen Arnd Klawitter und Comedian Alexander Schubert die zwei Prototypen des unsympathischen Versicherungsvertreters erschreckend realistisch. Das ist immerhin etwas!