Stolz auf das Debüt

8.10.2019, 19:34 Uhr

Seit Jahren schraubt und bastelt Jan Kerscher an seinem Langzeit-Projekt Like Lovers, das längst zu einer Herzensangelegenheit geworden ist. Dass das Debütalbum "Everything All The Time Forever" nun tatsächlich erschienen ist, damit hätte man ehrlich gesagt gar nicht mehr gerechnet. Nicht in diesem Leben …

Denn der Vorteil, den Kerscher genießt, ist zugleich auch ein Nachteil: Seit zehn Jahren leitet der 33-Jährige das Ghost City Recordings Studio im beschaulichen Oberbreitenlohe unweit des Brombachsees, das sich zu einem angesagten Produktionsort gemausert hat. Fernab der Großstadthektik kann man sich dort in aller Abgeschiedenheit ganz aufs Musikmachen und -aufnehmen konzentrieren.

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Knallharte Deadline

Der Plan, in der freien Zeit zwischen den Auftragsarbeiten an seinem eigenen Projekt weiterzuarbeiten, ging für Kerscher indes nicht auf, weil immer irgendetwas dazwischen kam. Also nahm er sich ein Herz, buchte sich selbst in seinem eigenen Studio ein und setzte sich eine knallharte Deadline. Und das hat tatsächlich funktioniert.

Inspiriert von der Absurdität des modernen Lebens geht es Kerscher um den ganz großen Pop-Entwurf. Philosophie und Weltschmerz – das Presseinfo spricht von sphärischer Popmusik mit Weltuntergangscharme. Elektronische Sounds treffen auf große Melodien und nachdenkliche Momente.

"Everything All The Time Forever" klingt düster und melancholisch, zugleich aber auch tröstend und verspielt. Radiohead wäre eine Referenz, die man an dieser Stelle in den Hut werfen könnte, aber auch Björk und Jeff Buckley. Im Studio ist Live Lovers ein Ein-Mann-Projekt, konsequenterweise hat Kerscher auf seinem Debütalbum fast alle Instrumente selbst eingespielt. Live ist es eine Band, deren Besetzung sich aus einem Pool von Kreativen speist. Es kann gut sein, dass aus Like Lovers demnächst ein vielköpfiges Musikerkollektiv wird. "Alleine Musik machen ist schön und eine gute Übung. Aber wenn man das lange genug getan hat, dann wächst das Bedürfnis, mit anderen zusammenzuarbeiten", sagt Kerscher und blinzelt nachdenklich über die Ränder seiner monströsen Hornbrille hinweg. "Ich mache Musik beruflich und privat – und privat darf es mich nicht stressen ..."

Gerade mal seit etwas über einem Jahr gibt es das Quartett Maffai aus Nürnberg, das irgendwo zwischen wütendem Indie und dezentem PostPunk zu Hause ist. Trotzdem legen die Musiker mit "Zen" bereits ihr Debütalbum vor – und das auch noch bei der kleinen aber feinen Plattenfirma Kidnap Music. Das nennt man dann wohl mal einen Lauf!

Doch Maffai spielen auch den Rock-Sound der Stunde. Die Produktion auf "Zen" ist fett, aber nicht aufdringlich. Flächige Synthies schlagen eine Brücke zurück in die 80er, während die deutschen Texte sofort Assoziationen zu Kraftklub wecken. Und bei all dem gilt: Keine Angst vor Pop!

"Wir haben einen sehr effektiven Workflow", erzählen die Musiker, die witzigerweise alle aus der Würzburger Gegend stammen und sich in Nürnberg wiedergetroffen haben. "Unsere Lieder entstehen im Übungsraum, wo immer das Aufnahmegerät mitläuft. Ob Audio oder Video, wir machen alles selbst."

Und der Bandname? "Es war ganz schön schwer, dem Kind einen Namen zu geben. Maffai als Überschrift ist noch krasser als bei unseren Labelkollegen von Akne Kid Joe. Klar denkt da jeder sofort an den Peter, aber der Name bleibt halt auch hängen. Man sollte ihn wie auch uns selbst jedoch nicht zu ernst nehmen."

Aktuelle Alben: Like Lovers, "Everything All The Time Forever" (Listenrecords); Maffai, "Zen" (Kidnap Music/Cargo).