Streit um Tonfetzen

1.6.2016, 12:59 Uhr

Im Ausgangsfall hatten die Produzenten der deutschsprachigen Rapperin Sabrina Setlur für deren 1997 eingespieltes Stück „Nur mir“ eine etwa zwei Sekunden lange Rhythmussequenz aus „Metall auf Metall“ der Düsseldorfer Band Kraftwerk elektronisch kopiert und als Endlosschleife einem Stück unterlegt. Die Kraftwerk-Musiker Ralf Hütter und Florian Schneider-Esleben sahen durch dieses sogenannte Sampling ihre Rechte verletzt und zogen durch alle Instanzen vor Gericht.

Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied daraufhin 2012 zugunsten der Musikindustrie, dass die freie Nutzung selbst „kleinster Tonfetzen“ von einem fremden Tonträger nicht zulässig ist, wenn ein „durchschnittlicher Musikproduzent“ in der Lage wäre, sie technisch selbst herzustellen. Musiker sollten ansonsten den Plattenfirmen Lizenzgebühren für das Sampling zahlen. Die Verfassungshüter hoben dieses Urteil nun mit Blick auf die Bedeutung der Kunstfreiheit auf. Die Übernahme fremder Musikausschnitte in eigene Werke sei etwa beim Hip-Hop als „Mittel künstlerischen Ausdrucks und künstlerischer Gestaltung anzuerkennen“, heißt es im Urteil.

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Kulturelles Allgemeingut

Die Verfassungshüter betonten überdies, dass ein Musikstück mit der Veröffentlichung nicht mehr allein seinem Inhaber gehört. Es trete vielmehr „in den gesellschaftlichen Raum und kann damit zu einem eigenständigen, das kulturelle und geistige Bild der Zeit mitbestimmenden Faktor“ und somit kulturelles Allgemeingut werden. Laut Urteil hatte der BGH diese Bedeutung der Kunstfreiheit falsch eingeschätzt. Zudem sei ein Sample, ähnlich wie eine Collage, ein ästhetisches Stilmittel. Das vom BGH geforderte eigene Nachspielen von Klängen sei oftmals sehr aufwendig und habe eher „abschreckende Wirkung“. Die BGH-Forderung nach Lizenzgebühren kippten die Verfassungshüter ebenfalls, weil Tonträgerhersteller Gebühren bis an die Grenze des Wuchers verlangen oder Lizenzen völlig verweigern könnten.

Komponisten sollten laut Gericht aber grundsätzlich ohne finanzielle Risiken oder inhaltliche Beschränkungen in „einen künstlerischen Dialog mit vorhanden Werken“ treten können. Solch ein Sampling fremder Songschnipsel sei dann zulässig, wenn damit ein eigenständiges Werk entsteht, dass mit dem ursprünglichen Stück nicht in Konkurrenz tritt und ihm wirtschaftlich auch nicht schadet.

Der Gesetzgeber könne aber künftig die Nutzung fremder Tonschnipsel mit einer angemessenen Vergütung verknüpfen, die sich am kommerziellen Erfolg des neuen Werks orientiert, entschied Karlsruhe. Den nun 18 Jahre alten Streit um das Setlur-Stück „Nur mir“ verwiesen die Verfassungshüter damit an den BGH zurück, der darüber nun erneut zu entscheiden hat.

Setlurs Musikproduzent und Kläger, Moses Pelham, zeigte sich erfreut über die Entscheidung. „Sie ist für Musikschaffende sehr wichtig, wir sind einen großen Schritt weiter gekommen“, sagte er nach der Urteilsverkündung.