"Tatort" aus Frankfurt: Kammerspiel am Ende der Straße

22.2.2015, 21:45 Uhr

In diesem Tatort geht es nicht so sehr darum, wer wen umgebracht hat, oder darum, den Mörder zu finden. Es geht darum, wer die größere Schuld auf sich geladen hat und warum. © HR/Degeto/Bettina Müller

Nach seinem sechsten Fall ist für ihn wieder Schluss. In "Das Haus am Ende der Straße" quittiert Joachim Król als Kriminalhauptkomissar Frank Steier den Dienst in Frankfurt.

Bei einer Routine-Befragung kommt es zur Katastrophe, durch einen Schuss stirbt ein kleines Mädchen. Steier, der am Abend zuvor kräftig gezecht hatte, verliert deshalb bei seiner Aussage vor Gericht seine Glaubwürdigkeit (und später seinen Job), der Mörder des Mädchens geht als freier Mann aus dem Saal. Steier plagt das Gewissen, das tote Mädchen und seine Mutter verfolgen ihn bis in den Traum. Bis er beschließt, den Mörder selbst zur Strecke zu bringen.

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So landet er schließlich mit dem Mörder Nico, dessen Bruder Robin samt Junkie-Freundin Lisa im "Haus am Ende der Straße", wo der Ex-Polizist Poller (Armin Rohde) das Trio, das gerade seinen nächsten Mord begangen hatte, und Steier in Geiselhaft nimmt.

Dieser Tatort ist als Kammerspiel konzipiert. Es geht nicht so sehr darum, wer wen umgebracht hat, oder darum, den Mörder zu finden, der steht ja schon fest. Es geht darum, wer die größere Schuld auf sich geladen hat und warum. In einer Sackgasse des Lebens stecken sie alle, Poller gibt sich die Schuld am Drogentod seines Sohnes, Steier an dem des kleinen Mädchens und das Trio wurde auf frischer Tat ertappt. Poller, der abgehalfterte Ex-Polizist hat mit seinem Leben eigentlich schon abgeschlossen, weiß, er kann nicht mehr "Held im eigenen Film sein", wie sie alle es wollen. Wer es schafft, darüber will er jetzt entscheiden, Schicksal spielen, Bösewicht sein im eigenen Film, wenn schon kein Held. Gewieft spielt er das Trio gegeneinander aus, hofft bei einem auf Läuterung durch den Verrat der anderen. Ein Verrat, den sie letztlich alle begehen, um ihr nacktes Leben und ihre Zukunft zu retten, oder einfach nur, um sich mit der nächsten Heroin-Spritze ins Vergessen zu befördern.

Psychospiel in der Sackgasse des Lebens

Steier und Poller belauern sich gegenseitig, versuchen einander gut zuzureden, den anderen zur Vernunft zu bringen, oder dazu, was jeder dafür hält, ein kleines Katz- und Mausspiel in einem größeren Psychospiel.

Die Grenzen der Rollen verschwimmen, sind Verbrecher wirklich immer die Bösen, was unterscheidet Poller und Steier, die beiden Ex-Polizisten noch von dem Trio? Vielleicht nur der Umstand, dass sie nie straffällig geworden sind? Auch philosophisch wird der Tatort, es geht um Urfragen des Menschseins und der Ethik: Darf man einen anderen Menschen umbringen, wenn man ihn so daran hindern kann, weiter zu morden? Ist es wirklich "ein Leben gegen ein Leben", wie Poller und Steier beim Gespräch unter Ex-Polizisten feststellen? Ist der Mensch wirklich des Menschen Wolf?

Ein Tatort aus Frankfurt, stark wie selten. Armin Rohde in einer grandios gespielten Gastrolle beweist, was für ein starker Charakterdarsteller er ist. Den Poller mimt er mit Gefühl und Verwundung, so dass er auch dem Zuschauer nachvollziehbar bleibt.

Joachim Król brilliert in seiner Darstellung des Misantrophen und abgefuckten Kriminalers mit Alkoholproblem, Steier. Am Ende bedauert man fast, dass Król als Tatort-Komissar aus dem Dienst scheidet, hofft fast, dass er im nächsten Tatort aus Frankfurt wieder rehabilitiert wird. Aber das passiert ja leider auch im echten Leben selten.

Eine grandiose Królsche Abschiedsvorstellung. Unbedingt sehenswert.