"Tatort" aus Leipzig: Der letzte Vorhang fällt

26.4.2015, 21:45 Uhr

Selten gab es für das Leipziger Ermittler-Gespann Wuttke-Thomalla viel Lob. Zu oft ließen Drehbuch und auch schauspielerische Leistung zu wünschen übrig. Gerade Simone Thomalla bekam oft ihr Fett weg. Unklug ihrerseits, daraufhin allein den MDR für das Nichtgelingen der Sendung verantwortlich zu machen. Schließlich kann ein guter Akteur die ein oder andere Schwachstelle in einer Handlung durch überzeugendes Schauspiel wettmachen.

Damit zumindest der vorerst letzte Fall von Keppler und Saalfeld einigermaßen positiv in Erinnerung bleibt, hat der Mitteldeutsche Rundfunk mit Sascha Arango einen erfahrenen Geschichtenerzähler mit dem Verfassen eines Drehbuchs beauftragt. Der zweifache Grimme-Preisträger konstruiert also den Plot, den Claudia Garde inszeniert. Beide sind sich nicht fremd, haben sie doch bereits bei zwei Kieler "Tatort"-Folgen zusammengearbeitet. Auch sie können den Karren zwar nicht mehr komplett aus dem Dreck ziehen - das erwartet auch keiner von ihnen - doch "Niedere Instinkte" ist definitiv eine der besseren "Tatort"-Ausgaben, die die Leipziger zusammengezimmert haben.

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Der Krimi beginnt verschroben, weil Keppler (Martin Wuttke) mit Bierflasche in der Hand durch die unter Wasser stehende Wohnung watet. Er blickt durch den Kühlschrank und sinniert über den Sinn des Lebens. Im Anschluß daran beginnt der eigentliche Film, der gleich die Entführung der kleinen Magdalena durch Lehrer Wolfgang Prickel (Jens Albinus) zeigt. Eindringliche Bilder begleiten den durchtrainierten Mid-Ager dabei, wie er das Schulkind in seine Gewalt bringt und sie im heimischen Keller verwahrt. Oben bekocht derweil Frau Monika (Susanne Wolff) die Freunde mit Pasta und Pesto. Keiner merkt etwas, als Ehemann Prickel ihr bedeutungsschwanger "sie ist hier" ins Ohr haucht. Abends setzt sich das Paar, das sich so gerne eigene Kinder gewünscht hat, Masken aus Silikon aufs Gesicht und klettert ins Kellerversteck hinunter.

Mutti versinkt im Gebet

Leider wirkt das teilweise dann doch etwas schrullig und schräg. Gespielt ist es jedoch absolut sauber und glaubhaft. Ähnlich schrullig, ähnlich schräg agieren Picco von Groote und Alexander Scheer in den Rollen von Magdalenas Eltern, religiösen Fanatikern, die vom Verschwinden erst etwas merken, nachdem sie von der Schulleiterin darüber informiert werden. Anstatt mit natürlicher Besorgnis zu reagieren, versinkt die Mutti im Gebet und reicht den Cops Rosinenbrot, während der Kindsvater auf das Hausdach klettert und von Keppler gerade noch daran gehindert wird, sich oscarreif in Brand zu setzen. Weil der Kommissar die Tat auf dem Schulweg vermutet, läuft er mit Saalfeld die Strecke ab und macht schließlich eine Bahnunterführung als Tatort aus. Rasch fällt ein erster Verdacht auf die nahe an der Schranke wohnenden Prickels, die jedoch erste Fragen gekonnt weglächeln.

Von den ganzen Geschehnissen rund um die Protagonisten beeinflusst, köcheln in Saalfeld alte Gefühle für Ex-Partner Keppler auf, deren Ehe einst in die Brüche ging, als ihr gemeinsames Kind verstarb. Lustig ist das nicht. Richtig Ärger macht die Ermittlerin ihrem Verflossenen, als der bei der schönen Nachbarin unterkommt und dort ein paar Schäferstündchen verbringt. Alte Liebe rostet eben nicht. Nur zugeben mag's halt keiner.

Saalfeld, inzwischen so richtig sauer, zettelt einen Massengentest an, da in der Unterführung - wen wundert's - etliche DNA-Spuren, womöglich auch die des Entführers, nachgewiesen werden konnten. Davon erfahren die Kidnapper übers Radio. Ein Streit über die weitere Vorgehensweise sorgt dafür, dass die Frau ihren Mann mittels einer präparierten Therme über den Jordan bringt. Für Keppler und Saalfeld ist der Fall nun klar. Der Mann war's. Frau Prickel kehrt nach ihrer Aussage auf dem Präsidium ins zerstörte Haus zurück, wo sie unten im Keller Magdalena in den Schlaf wiegt, um dann heimlich das Weite zu suchen.

Weil Saalfeld und Keppler wegen der Gefühlsachterbahn keine Nachtruhe finden, stöbern sie Magdalena mit der Silikonmaske in der Hand auf und bringen sie zu ihren Eltern. Alle freuen sich. Nur Frau Prickel nicht, denn die bleibt eingesperrt im eigenen Kerker.

Nun, "Niedere Instinkte" ist kein schlecht gefilmter Streifen über zwei verstörende Pärchen. Hier die religiösen Fanatiker, deren Wesen letztendlich im Dunkeln bleibt. Da die kinderlosen Einfamilienhausbewohner, für welche die Entführung eines Kindes den letzten Ausweg darstellt, diesen Makel zu beheben. Irgendwie dazwischen und von beiden in die Mangel genommen, geben Wuttke und Thomalla zwar eine bessere Figur ab als sonst, können dem handwerklich sauber in Szene gesetzten Krimi aber keine weiteren Akzente verpassen. Kaum einer wird den Cops nach weinen.