Tatort Bremen: Schuld, Sühne und die Frage nach Familienidyll

15.3.2015, 22:00 Uhr

Die Ermittlerin Inga Lürsen und ihren Kollegen Stedefreund holt in diesem Tatort aus Bremen und ihrem 31. gemeinsamen Fall „Die Wiederkehr“ ein alter Fall wieder ein. Vor 10 Jahren verschwand die damals siebenjährige Fiona Althoff, alles deutete auf den Vater als Täter hin, auch wenn er seine Unschuld beteuerte und auch seine Frau davon überzeugt war. Verzweifelt nahm der Mann sich schließlich das Leben. Silke Althoff, seine Frau beschuldigte Lürsen damals, ihn in den Tod gedrängt zu haben –  das und dass Fiona Althoff nie gefunden wurde, sind eine Schuld, die Lürsen auch zehn Jahre später noch mit sich herum trägt.

Als bei der Familie Althoff nach zehn Jahren plötzlich ein Mädchen auftaucht, das behauptet, Fiona zu sein, sieht Lürsen ihre Chance gekommen, die Umstände von damals ein für alle Mal aufzuklären.

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Die Mutter Silke Althoff versucht, sich so gut wie möglich mit der Situation zu arrangieren und spielt heile Welt. Fionas große Schwester Kathrin aber hat Zweifel, ob es die echte Fiona ist, die da in ihrem Elternhaus wieder eingezogen ist. Der kleine Bruder Jan, der an einer Essstörung leidet und psychisch labil ist, hat das Verschwinden Fionas nie verwunden und freut sich, seine große Schwester wieder zu haben. Gemeinsam backen sie Kuchen, kochen und das Fa­mi­li­en­idyll scheint perfekt.

Alte Vorwürfe gegen Lürsen

Als Lürsen und ihr Partner Stedefreund wieder anfangen, zu ermitteln, reagiert Silke Althoff abwehrend und feindselig. Sie wirft Lürsen aus dem Haus und von ihrem Grundstück, setzt sogar die interne Ermittlung auf sie an, mit dem alten Vorwurf, dass sie Schuld am Tod ihres Mannes damals habe. Stedefreund und Lürsen zweifeln. Was will die Frau verbergen? Oder will sie nur ihren wiedergefundenen Familienfrieden schützen? DNA-Tests beweisen, das Mädchen muss tatsächlich Fiona sein.

Lürsen, die Perfekte, beginnt an sich zu zweifeln. Erst als sie mit dem Referenten des Polizeipräsidenten noch ein weiteres Mal die alten Unterlagen und Verhörprotokolle durch geht, gewinnt sie das Vertrauen in sich zurück und zweifelt wieder an den anderen Mitspielern in dieser Geschichte. 

Sabine Postel spielt den inneren Konflikt der Ermittlerin, die an sich und ihren Instinkten zweifelt sehr stark und doch subtil. Als Lürsen das Vertrauen in sich selbst zurück gewonnen hat, ist sie fähig, wieder zu ihrem untrüglichen Spürsinn zurückzufinden, der ihr sagt, dass an der Sache etwas faul ist.

Überzeugende Anarcho-Braut mit pinken Haaren

Fiona Althoff, die Wiedergekehrte, spielt das traumatisierte Entführungsopfer, das als Sexsklavin von einem Hippiepaar missbraucht wurde und scheint genau zu wissen, was sie sagen muss, um die Polizei abzuwimmeln. So sagt sie zu Stedefreund bei der Befragung: "Ich kenne ein paar Polizisten. Wenn du willst schick Mama weg und hol deinen Schwanz raus." Sätze, die nicht einmal bei ihrer Psychologin, zu der Silke Althoff sie gebracht hat, Zweifel aufkommen lassen, dass Fiona ein traumatisiertes Mädchen mit sexualisiertem Verhalten ist. Nur Lürsen und Stedefreund zweifeln. Gro Swantje Kohlhof spielt die Fiona sehr intensiv, überzeugend, echt, als abgestürzten Engel und Anarcho-Braut mit pinken Haaren.

Amelie Kiefer gibt die zweifelnde Schwester Kathrin Althoff mit Können und Kunst. Besonders gut ist sie in den Szenen, wenn die Zweifel an Fionas Identität alles wieder aufwühlen. Das Martyrium durch ihr spurloses Verschwinden spiegelt sich hier auf dem Gesicht.

Levin Liam spielt den Bruder Jan ruhig und zurückhaltend, viel anderes erlebt man ihn in diesem Tatort auch nicht, wenig zeigen sich die inneren Konflikte, was aber wieder symptomatisch für die psychische Verfassung seiner Figur ist.

Besonders intensiv spielt neben Gro Swantje Kohlhof auch Gabriela Maria Schmeide die Mutter Silke Althoff. Auf ihrem Gesicht zeigt sich der unbedingte Wille, die Familie zu schützen und die Schuld, die sie trägt, nicht für ihre Taten, sondern die eines anderen. Emotional und stark sind die gemeinsame Endszene des Tatorts mit Sabine Postel.

Ein großer Tatort, in dem es um das Konzept von Schuld und Sühne geht. Schuld, die man selbst trägt, Schuld, die andere einem auftragen, die Frage ob man Schuld für einen anderen übernehmen und tragen oder abbüßen kann, bevor am Ende die in diesem Tatort alles überspannende Frage steht, ob man unschuldig schuldig werden kann. Dieser Tatort zeigt aber auch, wie Tragödien, einfach so, in den Alltag eindringen können und dass auch gerade in Familien manches oft nicht so ist, wie es scheint. Verwandtschaft hat eine eigene Dynamik und Blut ist nicht immer dicker als Wasser.

Wieder ein Tatort der weg geht vom Klischee der Verbrecher-Suche und hin zum Psycho-Krimi. Eine gute und sehr unterhaltsame Dynamik. Beste Sonntagabend-Unterhaltung.