Weltuntergang in schönen Farben: Rückkehr von Sandman

3.4.2015, 11:41 Uhr

Morpheus, Herr der Träume, kehrt zurück - in Neil Gaimans Comic "Sandman Ouvertüre". © PR / Panini

Was Nirvanas "Nevermind" für die Musik der Neunziger tat, machte Neil Gaimans Serie "Sandman" mit dem Comic. Sie bündelte alle Kreativität der Zeit und war zur richtigen Zeit am richtigen Ort.

Die neunte Kunst bewegte sich, das moderne Zeitalter brach an, die dunkle Seite und vielschichtige Charaktere kamen zum Vorschein. Alan Moore und Art Spiegelman hatten mit ihren Werken gezeigt, was der Comic kann. Und dann kam „Sandman“ vor 25 Jahren – die vielleicht erfolgreichste Serie des US-Verlags Vertigo.

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Die Serie fand 1996 ihr Ende, mit dem Ausstieg von Gaiman als Autor fand auch Sandman seine Ruhe – ein bemerkenswertes Zeichen in einer Industrie, welche die Künstler für ihre Figuren oft munter ersetzt. Mit „Sandman Ouvertüre“ kehrt der Brite Gaiman zu Morpheus, dem Herrn der Träume, zurück und erzählt die Vorgeschichte zu seiner Erfolgsserie.

Nach wenigen Seiten klärt sich der Blick wieder für die Mystik, die Legenden, die Charaktere, die Gaiman erschaffen hat. Irgendeine Macht nimmt Morpheus in ihren Bann, zieht ihn und seine unzähligen Inkarnationen zu einem fernen Ort.

Verzerrte Fratze in der Story

Viel mehr macht der 54-Jährige nicht deutlich, der nun bei Panini erschienene Sammelband umfasst gerade einmal die ersten drei US-Hefte und so bleiben viele Handlungsstränge nur angedeutet. Der kurze Auftritt des Korinthers, eines Menschen mit Mündern anstelle von Augen, beschränkt sich auf ein paar Seiten: Geschichte angerissen, Fragen offen.

Doch alleine dieser kurze Moment zeigt, was für ein herausragender Erzähler Gaiman ist, was er und der Künstler J.H. Williams III hier geschaffen haben. Die Bilder landen auf dem Zahnschmelz, von einer großen Doppelseite grinst einen die verzerrte Fratze an, während sich das Unheil in der Story formt.

Überhaupt verzichtet „Sandman Ouvertüre“ fast durchgängig auf einfache Layoutstrukturen, immer wieder bestimmen Gegenstände oder Gedanken der Figuren den Aufbau der Seite. Das macht sie allerdings nicht unübersichtlich – eher bleibt das Auge länger bei den Bildern. Eine herausfordernde Einladung und zugleich der Beweis, wie einfallslos noch viele andere Comics gerade in diesem Aspekt sind.

Zudem schafft es der Zeichner J.H. Williams III den Charme der Hefte aus den frühen Neunzigern einzufangen und ins 21. Jahrhundert zu heben. Morpheus‘ unnahbare Mimik, die Außerirdischen und göttlichen Wesen, alles findet seinen eigenen Stil. Die Farben hat Dave Stewart gesetzt – und gerade durch die satten Töne, durch die perfekte Komposition bekommt dieser Comic seine atmosphärische Düsternis, der drohende Weltuntergang seine wunderbaren Farben.

Während andere Superhelden tausend Tode sterben, um wieder aufzuerstehen, kehrt Sandman eher ruhig zurück. Dafür umso gewaltiger. „Es heißt, jede Geschichte müsste wenigstens einmal erzählt werden, bevor es endgültig Nacht wird“, sagt Morpheus gegen Ende des Bands. Hier ist noch nicht aller Tage Abend - nicht bei Neil Gaiman, noch lange nicht.

"Sandman Ouvertüre", Band 1. Panini. 120 Seiten. Farbig, broschiert. 16,99 Euro.