Langenzenn: Wo die Schätze in Regalen schlummern

8.2.2016, 13:00 Uhr

Das Prunkstück ist im wahrsten Sinne des Wortes gewichtig und hat schon ein paar hundert Jahre auf dem Buchrücken. Der Einband, mit Leder überzogenes Holz, schützt vor Licht, sorgt aber für ausreichende Belüftung. „Sieht aus wie neu“, sagt Annemarie Müller über das „Statt Buch zu Langenzenn“ von 1530. Was der Laie anzweifeln könnte, beurteilt eine Expertin ganz anders. Die Steinerin steht als ehrenamtliche Kreisarchivarin den Einrichtungen im Landkreis und den Kommunen als Beraterin zur Verfügung. Über das Langenzenner Archiv ist sie voll des Lobes. Besonders das Gebäude am Denkmalplatz 4, einst ein Kindergarten, hat es ihr angetan.

Die Räume im Erdgeschoss seien zwar zu klein, aber zum Glück nicht von Wasserleitungen und Heizungsrohren durchzogen. Wasserstands- und Rauchmelder wachen zudem darüber, dass den sorgsam in säurefreien Kartons aufbewahrten Unterlagen nichts passiert. Kaum etwas fürchtet ein Archivar mehr als Feuer oder Wasser. Laut Müller schlummert in den Regalreihen über dem abgetretenen Parkettboden einiges: Im Gegensatz zu jüngeren Gemeinden im Landkreis habe Langenzenn „viel historisches Schriftgut“ zu bieten. Ein Schatz, der bei den Bürgern auf Interesse stößt. Auch aus den USA gebe es immer wieder Anfragen, von Menschen, deren Vorfahren einst ausgewandert sind, erzählt Waltraud Zeiler, die das Archiv neben ihrer normalen Tätigkeit in der Langenzenner Stadtverwaltung mit einem monatlichen Kontingent von fünf Stunden betreut. Ob Mitglieder des Heimatvereins, der Siebener, Hobbyforscher oder Studenten, Betrieb herrscht meistens an jedem ersten Dienstag im Monat, wenn das Archiv von 13 bis 18 Uhr öffnet.

Auch gerade sind die zwei Plätze an den Fenstern vor der ersten Regalreihe belegt: Gerhard Striegel hat es der Langenzenner Bahnhof angetan. In dem Karton vor ihm auf dem Tisch hat er Gebäudepläne entdeckt. Striegels Vater arbeitete vor Ort als Rangierer. Als 1870 der Bau der sogenannten Vizinalbahn von Siegelsdorf nach Langenzenn begann, brauchte es einen Bahnhof. Der sieht auf den alten Dokumenten aber ganz anders aus als jetzt. Was Striegel weiß: Das Gebäude war früher nicht verputzt, unklar ist jedoch, wann angebaut wurde. In den Unterlagen aus dem Jahr 1881, die der Langenzenner gerade studiert, ist der Bahnhof jedenfalls so eingezeichnet, wie auf dem Ursprungsplan. Das Rätsel lässt sich heute nicht lösen, Striegel wird wiederkommen.

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Wer im Archiv forschen will, greift normalerweise zu einem der drei Findbücher, die der frühere Kreisarchivar Michael Kroner angelegt hat. Deren Prinzip funktioniert wie folgt: Hinter Schlagwörtern wie etwa „Schulwesen“ finden sich Nummern, die wiederum zu den Regalen führen, in denen die Unterlagen lagern. Der Bestand des Archiv gliedert sich grob gesagt in drei Teile: Rund 5000 Stücke aus der Zeit vom 15. Jahrhundert bis 1900 — markgräfliche Verordnungen oder die Zunftbücher des Oberamtes Cadolzburg finden sich darunter. Bis 1948 waren diese im Staatsarchiv in Nürnberg deponiert, wurden geordnet und verzeichnet und anschließend an Langenzenn zurückgegeben. Das zweite Segment umfasst im Wesentlichen Unterlagen der Stadt von 1900 bis 1950. Der dritte Teil besteht aus Akten der im Zuge der Gebietsreform aufgelösten Gemeinden Kirchfarrnbach, Keidenzell, Laubendorf und Horbach.

Wer saß im Gemeinderat?

Dieser Abteilung gilt seit einiger Zeit das besondere Interesse von Markus Tiefel und seinen Mitstreitern: 700 Jahre wird der Langenzenner Ortsteil Horbach heuer. Das wird entsprechend gefeiert, außerdem verfasst das Organisationskomitee ein Dorfbuch. Darin geht es um die Entstehung des Ortes, die Entwicklung der Landwirtschaft und verschiedener Organisationen wie Feuerwehr, Bauernverband oder Jagdgenossenschaft. Und um die politische Gemeinde, zu der bis zur Gebietsreform 1978 auch Hausen, Göckershof, Raindorf, Seckendorf und Kagenhof zählten. Welche Horbacher saßen im Gemeinderat? Das ist nur eine der Fragen, die das Buch beantworten will.

Mit aktuell 88 Seiten wird es ungleich dünner ausfallen als Konrad Nickels Werk. Der Laubendorfer Landwirt hat sich in mehrjähriger Arbeit, auch im Stadtarchiv, mit seinem Heimatort beschäftigt. Entstanden ist dabei mit „Von der Vergangenheit zur Gegenwart“ ein akribisch ausgearbeitetes und liebevoll bebildertes Nachschlagewerk über Laubendorf und umliegende Ortsteile wie Lohe, Hardhof oder Heinersdorf. „Ein Buch, das hierher gehört“, lobt Annemarie Müller.

Zumindest bis Ende nächsten Jahres, dann endet die seit 1986 währende Geschichte des Stadtarchivs am Denkmalplatz. Die Einrichtung soll umziehen, ins neue Feuerwehrhaus, das bis dahin an der Burggrafenhofer Straße entsteht. Der komplette Bestand, bisher auf mehrere Standorte verteilt, findet sich künftig unter einem Dach. Und die Kreisarchivarin hofft, dass die Stadt vielleicht noch in einen Computer und einen Kopierer bzw. Scanner investiert. Zukunftsgerichtet wäre es außerdem, die Findbücher im Internet, etwa auf der kommunalen Homepage, zu präsentieren. Denn: „Ein Archiv lebt“, sagt Annemarie Müller — Ankunft im digitalen Zeitalter erwünscht.