Drehzähler haben nur noch eine Schonfrist

15.2.2018, 19:34 Uhr

Seit Jahrzehnten dreht sich in deutschen Kellern und Wohnungen die Alu-Scheibe der Ferraris-Zähler. Damit soll bald Schluss sein. Im Sommer hat der Deutsche Bundestag ein Gesetz beschlossen, das den schrittweisen Umstieg auf digitale Stromzähler vorsieht. Die als "smart Meters", also intelligente Messgeräte, bezeichneten Kästen erlauben eine minutengenaue Abfrage des Verbrauchs, anders als heute, wo einmal im Jahr abgelesen wird.

Die Idee dahinter: Versorger können auf kurzfristige Schwankungen reagieren, etwa weil bei schönem Wetter die Solaranlagen besonders viel Strom liefern, und ihren Kunden günstige Angebote machen. Oder Verbraucher bekommen es honoriert, wenn sie ihre Waschmaschine zu Zeiten laufen lassen, wo der allgemeine Verbrauch niedrig ist.

"Wir sind seit vier Jahren an dem Thema dran", sagt Dominique Kinzkofer, Chef der Stadtwerke Neumarkt. Das Zählerteam hat inzwischen einen Mitarbeiter mit EDV-Hintergrund. In Zusammenarbeit mit anderen Stadtwerken Amberg, Landshut, Passau und Straubing wurde getestet, wie man die Daten zuverlässig abliest und in die Steuerungssoftware einbindet.

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Wie üblich, traten Probleme dort auf, wo sie zunächst niemand erwartete. So werden die Daten in der Regel über das Handynetz übertragen. "Es gibt aber Keller, in denen haben sie keinen Empfang, von keinem Anbieter", sagt Kinzkofer.

Sorge um Datenschutz

Die bundesweite Einführung der digitalen Zähler ist immer wieder verschoben worden. Denn das zuständige Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik BSI hat die Anforderungen für die Hersteller mehrfach verschärft. Zwei Problemfelder gibt es: den Datenschutz, schließlich darf niemand von außen an die Verbrauchswerte gelangen, und die Manipulation. Dabei geht es weniger um schummelnde Kunden, sondern um Hacker, die möglicherweise auf diesem Wege in die Datennetze der Versorger eindringen und so einen flächendeckenden Blackout verursachen könnten.

In diesem Jahr beginnt der Austausch der Zähler. "Zunächst nur für eine Handvoll Kunden", sagt Kinzkofer. Anschließend gibt es einen festgelegten Ausbaupfad. Los geht es mit Haushalten, die eine Photovoltaik-Anlage ab sieben Kilowatt Leistung betreiben, eine Wärmepumpe oder eine Stromheizung sowie Großverbraucher. Bis 2020 sollen alle Haushalte, die mehr als 6000 Kilowattstunden (kw/h) jährlich verbrauchen, umgerüstet sein.

Die meisten Neumarkter Haushalte befinden sich weit unter dieser Schwelle. Der Durchschnittsverbrauch liegt bei 3400 kw/h. Einpersonen-Haushalte verbrauchen um die 2000 kw/h, große Familien oder Betreiber einer Wärmepumpe haben teilweise deutlich höhere Verbräuche.

Einbau ist Draufzahlgeschäft

Es wird wohl noch länger ein Nebeneinander von neuen digitalen und analogen Ferraris-Zählern geben. Denn für die Stadtwerke ist der Austausch zunächst ein Draufzahlgeschäft. "Bei den derzeitigen Preisen ist der Einbau nicht kostendeckend", kalkuliert Kinzkofer. Zudem sind die digitalen Zähler einer bestimmten Wohnung, Haushalt oder Firmenkunden zugeordnet. Ein verschlüsseltes Zertifikat verhindert, dass jemand anders die Daten kapert – bedeutet aber auch, dass die Geräte nach Ablauf des Zertifikats nur noch Elektroschrott sind.

Den Vorteil für die Normal-Kunden schätzt Kinzkofer als gering ein. "Wer stellt seinen Wecker auf vier Uhr, um dann zu bügeln?", fragt er provokant.

Dennoch: die Digitalisierung wird auch bei Gas-, Wasser- und Wärme-Zählern kommen. So testen die SWN mit einer Neumarkter Wohnungsverwaltung die Fernablesung der Nebenkosten. Noch ist es ein Versuch um Erfahrungen zu sammeln. Sinnvoll wird es erst wenn alle Daten über eine Schnittstelle transportiert werden. Noch weiß niemand, ob die Technik der Stromzähler dafür geeignet ist.