Eine Arznei kann über die Jahre sogar giftig werden

13.2.2010, 00:00 Uhr

Frau Schlenk, die Hausapotheke sollte immer auf dem neuesten Stand sein. Wie oft muss man sie prüfen?

Margit Schlenk: Mindestens zwei Mal pro Jahr. Die entnommenen Arzneien sollten dann wieder ersetzt werden.

Gibt es denn Medikamente, die in der Hausapotheke nichts verloren haben?

Schlenk: Die gibt es. Es sollten keine verschreibungspflichtigen Arzneien in der Hausapotheke sein.

Warum nicht?

Schlenk: Um einer falschen Anwendung vorzubeugen. Der Arzt hatte dieses Arzneimittel speziell für einen Patienten verordnet. Ein anderer Mensch verträgt das Mittel möglicherweise gar nicht. Oder die Inhaltsstoffe sind für andere Menschen nicht geeignet.

Was ist mit dem Verfallsdatum?

Schlenk: Liegt ein Medikament auch nur einen Tag darüber, sollte man es wegwerfen.

Bei Lebensmitteln spricht man doch von einem Mindesthaltbarkeitsdatum. Liegt eine Sahne ein paar Tage darüber, muss sie noch nicht schlecht sein . . .

Schlenk: Das trifft vielleicht bei Lebensmitteln zu. Diese Erkenntnis darf aber nicht auf Medikamente übertragen werden. Das Problem ist, dass sich darin die Wirkstoffe verändern können. In manchen Fällen kann die Arznei schädlich und sogar giftig werden.

Auf welche Medikamente trifft das zu?

Schlenk: Bei Erzeugnissen mit ätherischen Ölen rate ich zur Vorsicht. Etwa bei Produkten wie Bronchialbalsame. Aber auch viele chemische Inhaltsstoffe können sich mit der Zeit verändern und dann häufen sich schädliche Konzentrationen der Abbauprodukte an. Arzneimittel werden am kranken Menschen angewendet, dieser bedarf eines besonderen Schutzes.

Gibt es noch einen anderen Grund, das Haltbarkeitsdatum einzuhalten?

Schlenk: Ja. Denn wenn etwas passiert, nachdem ein Erkrankter eine Arznei verwendet hat, die bereits verfallen war, dann ist der pharmazeutische Hersteller nicht mehr in der Haftung. Wichtig ist auch, das Datum auf die Schachtel des Medikaments zu schreiben, an dem man es aufgebrochen hat.

Warum das?

Schlenk: Mit dem Anbrechen der Arznei ist das Verfallsdatum schon gar nicht mehr gewährt.

Heißt das, das benutzte Medikament ist dann schon vor dem Verfallsdatum unbrauchbar?

Schlenk: Ja. Das ist zwar von Medikament zu Medikament unterschiedlich. Der Apotheker berät die Verbraucher hier zur sicheren Anbruchsfrist der jeweiligen Mittel, da diese von Präparat zu Präparat oft stark unterschiedlich sind.

Ist der Pharmazeut in so einem Fall schon aus der Haftung raus? Oder gilt für ihn auch nach Anbruch des Produktes das Haltbarkeits- datum?

Schlenk: Der Apotheker haftet nicht für Anwendungsfehler des Verbrauchers. Dafür berät er ja eingehend. Die Industrie haftet für die Qualität bei verschlossener Packung bis zum Verfallsdatum. Aber auch innerhalb der Aufbrauchsfrist nach Öffnen der Packung steht die Pharmahaftung der Hersteller parat. Die Stabilität der Arzneizubereitungen muss bei der Zulassung von Arzneimitteln belegt werden. Dies sind teure und aufwändige Studien, die der Hersteller durchführen muss.

Was empfehlen Sie den Menschen?

Schlenk: Wer Zweifel am Inhalt seines Arzneischrankes hat, kann seine Apotheke aufsuchen. Die Mitarbeiter geben auch Tipps, was in eine Hausapotheke alles hinein gehört.

Und das wäre?

Schlenk: In jedem Fall sollte ein Mittel gegen Kopfschmerzen darin sein. Gerade in dieser Jahreszeit darf zudem ein Schnupfenspray nicht fehlen – in Familien eines für jede Altersstufe: Baby, Kind, Jugendlicher und Erwachsener. Auch sollte etwas gegen Husten da sein, Saft oder Tropfen. Ein Mittel für die Abwehrkräfte wie etwa Zink darf auch nicht fehlen. Und in jedem Fall: ein Fieberthermometer.

Was ist mit dem allzeit bewährten Pflaster?

Schlenk: Auch das gehört dazu. Es sollte nicht so weit kommen, dass der Verbandskasten im Auto geplündert werden muss. INT.: A. BROCK