Es brennt an den Schulen im Landkreis Neumarkt

10.1.2020, 09:13 Uhr

Nach Angaben von Schulminister Michael Piazolo (Freie Wähler) fehlen im kommenden Schuljahr an den Grund-, Mittel- und Förderschulen des Freistaats mindestens 1400 Lehrkräfte. Deshalb kündigt das Ministerium Folgendes an: Ab kommendem Schuljahr müssen Grundschullehrer – vorübergehend, wie es heißt – eine Stunde pro Woche mehr, also 29 Stunden, arbeiten. Bei Teilzeit erhöht sich die Wochenarbeitszeit um zwei auf 23 Stunden an Förder- und um drei auf 24 Stunden an Grund- und Mittelschulen. Ausgenommen ist die Teilzeit, die der Familie in Form von Kindererziehung oder Angehörigenpflege zugute kommt. Die Mehrarbeit soll später in einer "Rückgabephase" ausgeglichen werden, die Arbeitszeit werde dann reduziert. Der vorgezogene Ruhestand kann, abgesehen von Altersteilzeitmodellen, künftig erst ein Jahr später, also mit 65 Jahren beginnen; Freistellungsmodelle wie Sabbatjahre entfallen für die nächsten Jahre.

Die Lehrerverbände kritisieren die Pläne scharf. "Das ist untragbar", sagt Albert Semmler, Vorsitzender des BLLV-Kreisverbands Neumarkt und Lehrer an der Mittelschule Parsberg. Er glaubt, dass die Qualität der Bildung leiden wird. "Es brennt an den Schulen lichterloh. Die Lehrer sind bereits bis an die Oberkante belastet und ausgepowert", weiß Semmler.

Er ahnt, dass dann noch mehr Lehrer, vor allem die über 50-Jährigen, krank werden und nicht mehr unterrichten können. "Wir Grund- und Mittelschullehrer haben die schwierigeren Schüler, leisten mehr Unterricht und werden dafür schlechter bezahlt", schimpft Semmler.

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"Schwache bleiben auf der Strecke"

Der Landkreis Neumarkt sei ländlich strukturiert mit vielen kleinen Schulen. Wenn da ein Lehrer krank wird, werde es für die Kollegen schon schwierig, das aufzufangen. Leiden würden darunter auch die Kinder: "Die schwachen Schüler bleiben dann auf der Strecke."

Semmler wird deutlich: Der Notstand sei seit Jahren da, aber bisher immer kaschiert worden. "Die Politiker haben keinen Weitblick. Das entscheiden Leute, die von Bildung keine Ahnung haben." Den Grund- und Mittelschul-Lehrern werde immer mehr aufgebürdet: zusätzlicher Informatikunterricht, Ganztagsbetrieb, Inklusion, Integration von Schülern mit Migrationshintergrund, Stunden für Evaluation, zählt Semmler auf. "Es wäre besser, die Ressourcen in die Kinder zu investieren und nicht in Konzepte", fordert der BLLV-Funktionär. Es gelte, den Beruf des Grund- und Mittelschullehrers attraktiver zu gestalten, damit ihn mehr junge Menschen ergreifen.

Viel Vor- und Nacharbeit

Stadträtin Helga Hoerkens, Schulreferentin im Neumarkter Stadtrat und früher Realschullehrerin, fühlt sich an Gerhard Schröder erinnert, der als niedersächsischer Ministerpräsident die Lehrer als "faule Säcke" abqualifizierte.

Dabei bedeute eine Unterrichtsstunde mit Vor- und Nachbereitung drei Stunden Arbeit. "Welchem anderen Arbeitnehmer würde man zumuten, dass er plötzlich sechs Stunden mehr arbeiten soll", fragt Hoerkens. Auch wenn die Neumarkter Schulen "kleine Paradiese" seien, glaubt sie, dass die Burnout-Fälle bei den Lehrern zunehmen werden, wenn die Piazolo-Pläne umgesetzt werden.

Auf der anderen Seite müsse der Unterricht sichergestellt werden. "Da sind ausgebildete Lehrer auf jeden Fall besser als Quereinsteiger ohne Ausbildung", gibt Hoerkens zu bedenken. Vorübergehende Mehrarbeit als Krankheitsvertretung hält sie für okay, nicht jedoch für ein ganzes Schuljahr. Denn der Lehrerberuf sei eine "wahnsinnige Kraftanstrengung".

Letztendlich sei mehr Vorausschau von Politik und Verwaltung nötig, um stets genügend Lehrer für die einzelnen Schularten zu haben. "Das ist doch eine reine Rechenaufgabe", findet Hoerkens.

Schulleiter sind zurückhaltend

Die Schulleiter im Landkreis, ob in Neumarkt, Freystadt oder Berg, üben sich auf Nachfrage der NN eher in Zurückhaltung und wollen derzeit keine Stellungnahme zu den Vorschlägen des Kultusministeriums abgeben. "Das sind sehr unangenehme Maßnahmen. Es ist aber Fakt, dass wir Lehrer brauchen. Wir müssen das Beste daraus machen", sagt Rektor Alwin Ferstl von der Mittelschule West in der Woffenbacher Straße.

Der Notstand besteht seit Jahren und wurde bisher kaschiert.